Ein Jahr nach dem Rücktritt: Ex-Präsident Wulff im freien Fall
Christian Wulff ist tief gestürzt. Im Januar kam dann die Trennung von seiner Ehefrau. Berufliche Perspektiven sind schwierig.
Berlin. Als Christian Wulff vor einem Jahr — am 17. Februar 2012 — seinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten erklärte, mag er gehofft haben, das Schlimmste läge hinter ihm. Doch es kam ganz anders: Es folgten die Debatte um seinen Ehrensold, der Große Zapfenstreich mit Vuvuzelas, der Triumph seines Nachfolgers, den plötzlich alle und schon immer für den besseren Präsidenten gehalten hatten. Dann das Buch seiner Frau Bettina und schließlich, Anfang 2013, die Trennung.
Mit zwölf Monaten Abstand bleibt die vielleicht spannendste Frage, wie es geschehen konnte, dass ein deutscher Spitzenpolitiker, CDU-Hoffnungsträger, Ministerpräsident in Niedersachsen und am Ende sogar — für 598 Tage — Bundespräsident so tief fallen konnte. Seine Fehler, Fehleinschätzungen, Versäumnisse mögen schwer wiegen, den tiefen Sturz erklären sie nicht.
Nicht einmal der Rücktritt selbst war unausweichlich, meint der Journalist Michael Götschenberg, der ein Buch über die Affäre schrieb. Erst das „verheerende Krisenmanagement“ Wulffs und seiner Umgebung hätten dieses Ende herbeigeführt.
Erste Fotos nach dem Rücktritt im Juli zeigten einen sichtlich abgemagerten Ex-Präsidenten, mit neuer Brille, irgendwie bedrückt. Schon damals gab es Gerüchte über Eheprobleme, Wulffs Frau Bettina kündigte die Veröffentlichung ihrer Erinnerungen an. Deutlich mühte sich die frühere First Lady, Abstand zu gewinnen von ihrem Mann. Als ihr Buch „Jenseits des Protokolls“ im September erschien und von einer Flut von Interviews begleitet wurde, müssen ihn manche Passagen geschmerzt haben: „Jetzt geht es um mich und meine Söhne“, sagte Bettina Wulff und erhob auch Vorwürfe gegen ihren Mann. Als dann am 7. Januar die Trennung bekanntgegeben wurde, war niemand überrascht.
Zur privaten Krise kam für den 53-Jährigen die berufliche Perspektivlosigkeit. Im November trat Wulff erstmals in Deutschland wieder an ein Rednerpult. In Heidelberg sprach er zum Thema Integration. Davor gab es zwei Auftritte in Italien und in Südkorea, das Echo war bescheiden. Daran könnte sich erst dann etwas ändern, wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorteilsannahme beendet würden.
Öffentliche Auftritte in nächster Zeit seien nicht geplant, heißt es in Wulffs Büro. Es gebe aber eine Reihe von Aktivitäten. Wulff trifft Botschafter und Unternehmer. Ein neues mögliches Betätigungsfeld haben Medien auch schon ausgespäht: die deutsch-türkischen Beziehungen oder die der EU zu Ankara. Wulff hält regelmäßig Kontakt mit dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül.