Ein Kämpfer gegen das Schönreden
Roland Jahn klärt im Auftrag der Bundesrepublik Stasi-Vergangenheiten auf. Er selbst wurde aus der DDR abgeschoben.
Wenn Sie dieser Tage das Ergebnis einer Umfrage lesen, wonach ein Drittel der Befragten den Mauerbau aus damaliger Sicht „voll“ oder „teilweise“ richtig fand, was geht Ihnen dabei durch den Kopf?
Jahn: Offenbar wirkt bei diesem Drittel der Traum vom Sozialismus immer noch nach. Was wiederum zeigt, wie wichtig unsere Arbeit ist, die Diktatur aufzuarbeiten. Ich unterstelle dabei nicht, dass dieses Drittel 1961 immer im Blick gehabt hat, was die Mauer über 28 Jahre bedeuten würde.
Anhänger der Partei Die Linke verteidigten den Mauerbau. Was lehrt das?
Jahn: Die Linken haben insgesamt einen Nachholbedarf in Sachen Aufarbeitung. Der Unrechtsstaat wird negiert und die DDR schöngeredet. Mir geht es nicht darum, die DDR schlechtzureden. Auch in meiner Jugend schien die Sonne. Ich hatte auch ein schönes Leben in der DDR, Familie, Freunde, Heimat. Aber das war nicht wegen der Diktatur, sondern trotz der Diktatur.
Sie waren selbst Opfer der Stasi und kamen in Haft, weil Sie eine polnische Fahne mit dem Schriftzug der verbotenen Gewerkschaft Solidarnosc an ihrem Fahrrad befestigt hatten. Kann es im Unrecht ein Recht geben?
Jahn: Die DDR war ein Unrechtsstaat, weil dieses Unrecht von Staats wegen organisiert und gewollt war. In einem Rechtsstaat kann es auch Unrecht geben, aber dort sorgt der Rechtsstaat dafür, dass dieses Unrecht beseitigt wird. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit hat die Diktatur der DDR doch verhöhnt. Der Stasi-Vernehmer hat mir gesagt: „Es kommt nicht darauf an, wer Recht hat, sondern wer die Macht hat. Und die haben wir!“
Was war das herausragende negative Merkmal im autoritären Regime der DDR?
Jahn: In der DDR war die Willkür des Apparates ein gewaltiges Instrument, Menschen zum Stillhalten zu bewegen. Man wusste nie, was die Konsequenzen waren. Alles was ich getan habe, konnte unmittelbare Auswirkungen auf mein Umfeld haben. Mein Vater hat zu mir gesagt: „Musst du jetzt schon wieder deine Meinung sagen? Du gefährdest meine berufliche Existenz und das Glück unserer gesamten Familie.“
Der 50. Jahrestag des Mauerbaus ist deutsches Lehrstück wofür?
Jahn: Dass es möglich ist, eine Mauer zu bauen und an dieser Mauer Menschen zu erschießen, weil sie von einem Teil der Stadt in den anderen wollen. Und dass es möglich ist, diese Mauer zu überwinden und am Ende friedlich in die Freiheit zurückzukehren.