Erst Sabotage, dann Solidarität: Die SPD und Kurt Beck

Parteikrise: Nach dem „Wutausbruch“ des Parteichefs stellen sich Linke wie Rechte in der SPD demonstrativ hinter Kurt Beck.

Berlin/Düsseldorf. Erst demontierten sie ihn nach Herzenslust - nun will es keiner gewesen sein. Im Gegenteil: Die Basta-Rede von SPD-Chef Kurt Beck (Foto) im Parteirat stieß gestern auf einhellige Zustimmung in der Partei. Es sei notwendig gewesen, dass Beck klargemacht habe, "wo der Hammer hängt", sagte die Parteilinke und designierte Vize-Vorsitzende Andrea Nahles. "Das ist das, was wir schon immer gefordert haben", lobte auch der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs.

Im SPD-Parteirat am Montag war Beck anonymen Kritikern in den eigenen Reihen scharf entgegengetreten. Er werde nicht zulassen, dass seine Aufbauarbeit immer wieder gestört werde, sagte Beck dazu in den ARD-Tagesthemen. Hinter verschlossenen Türen soll er noch drastischer geworden sein: "So einen Scheiß lasse ich mir nicht mehr bieten."

Derweil geht in der SPD weiter die Angst vor heftigen Flügelkämpfen um. Auslöser ist das Buch "Auf der Höhe der Zeit" von Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Matthias Platzeck. Sie verstehen sich als Nachlassverwalter der Reformpolitik Gerhard Schröders und sprechen sich für den "vorsorgenden Sozialstaat" als Fortsetzung der Agenda 2010 aus. Es gehe darum, Bildung zu fördern, statt bloß zu "reparieren", wie es der "überkommene Sozialstaat" tue. Auf die SPD-Linke wirkt das wie ein rotes Tuch.

Die SPD ist personell und programmatisch am Ende. Gäbe es eine Alternative zur Großen Koalition, müsste man den Sozialdemokraten dringend raten: Raus aus der Regierung!

Kurt Beck hat keine Ahnung, wie er die SPD zwischen der populistischen Linkspartei und der immer sozialdemokratischeren CDU aufstellen soll. Dass er dem Buch von Platzeck, Steinbrück und Steinmeier kein Vorwort verpasst hat, wurde ihm von einigen Wohlmeinenden als Ausdruck von Größe ausgelegt. Ein Parteichef müsse sich aufs Moderieren beschränken, hieß es. Aber hatten jene, die so argumentieren, nicht eben noch die Kanzlerin dafür kritisiert, dass sie in der Innenpolitik zu viel moderiere und zu wenig Farbe bekenne? Wie passt das zusammen?

Beck macht sich den Begriff des "vorsorgenden Sozialstaats", um den es auch in dem umstrittenen Buch geht, zwar zu eigen. Er sagt aber nicht, was genau er darunter versteht. Dass Bildung die beste Vorsorge ist, ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Und dass sich Leistung wieder lohnen muss, ist vor allem ein alter CDU-Slogan. Daraus erwächst noch nicht per se ein neues SPD-Programm. Beck muss dringend eine Antwort darauf geben, was künftig mit jenen Menschen ist, für die jede Vorsorge zu spät kommt. Will die frühere "Partei des kleinen Mannes" die Wohlstandsverlierer einfach sich selbst überlassen und ihnen noch hämisch hinterherrufen: Du hast ja Deine Chance gehabt?

Daran knüpft unmittelbar die Frage an, wie es Beck eigentlich mit der Agenda 2010 hält. Die Parteilinke will das Kapitel aufarbeiten, will eine Bestandsaufnahme. Die Parteirechte dagegen möchte die Sozialreformen und mit ihnen Gerhard Schröder am liebsten heilig sprechen. Beck muss darauf eine Antwort geben.

Wutausbrüche helfen nicht weiter. Sie wirken lächerlich. Was soll denn nach dem Mecker- und dem Basta-Beck kommen? Der Beck-will-weg-Beck? Das wäre eher ein Versprechen als eine Drohung. Wenn Beck sagt, es gehe um Leute aus der "dritten und vierten Reihe", die schlecht über ihn sprechen, dann ignoriert er die Realität. Es ist vor allem Franz Müntefering, von Beruf Vizekanzler und insofern ein Mann aus der ersten Reihe, der glaubt, dass es Beck nicht kann. Größe würde Beck beweisen, wenn er das jetzt selbst einsähe.