Großbritannien: Blitzduell zwischen Brown und Cameron

Nach monatelangen Spekulationen setzt der britische Premier die Parlamentswahl für den 6. Mai an.

London. Das Geheimnis ist gelüftet: Premierminister Gordon Brown hat am Dienstag den mit Spannung erwarteten Wahltermin fürs Königreich auf den 6. Mai gelegt. Damit steht den Briten der dramatischste Machtkampf seit Beginn der Labour-Ära 1997 bevor, in der das Land eine goldene Dekade des Wohlstands hat kollabieren sehen in Rezession, Staatsschulden und Parlamentsskandalen.

Ein Amt, zwei Kandidaten und nur vier Wochen Zeit: In diesem knappen und grimmigen Kopf-an-Kopf-Rennen um die Downing Street 10 ist noch alles offen. Premier Brown, der seit Antritt der Blair-Nachfolge 2007 mit katastrophalen Sympathiewerten und Rücktrittsgerüchten kämpft, hat in den letzten Wochen überraschend aufgeholt - in aktuellen Umfragen ist der zweistellige Vorsprung der Konservativen unter David Cameron auf nur vier Prozentpunkte geschrumpft.

Für die absolute Mehrheit im Parlament reicht eine solche Mini-Marge allerdings nicht. Großbritannien muss sich vielmehr auf ein politisches Patt, die erste Minderheitenregierung seit über drei Jahrzehnten und womöglich sogar Neuwahlen einstellen.

Derweil konzentriert sich der Wahlkampf auf eine Schlacht zwischen Labours "Erfahrung" und dem konservativen Versprechen von "Wandel". Brown hat mehrfach Wahlkampagnen für Vorgänger geleitet und in 13 Jahren alle wichtigen Regierungsposten innegehabt. Tory-Chef David Cameron hingegen hat bisher keinen einzigen Ministerposten bekleidet, setzt aber auf seine frische Ausstrahlung und die von ihm zu "mitfühlenden Konservativen" modernisierte Partei.

Sollte er die 116 notwendigen Sitze im Parlament gewinnen, würde er hier nicht nur für den größten Umschwung seit dem Krieg sorgen, sondern wäre mit seinen 43 Jahren auch einer der jüngsten Premierminister in der Geschichte Großbritanniens.

In einem Ausblick auf sein Wahlmanifest erklärte Cameron, dass dies die wichtigste Wahl seit einer Generation sei: "Wir kämpfen für die vergessenen Großartigen: Die Jungen, Alten, Reichen, Armen, Schwarzen, Weißen, Schwulen und Heteros."

"Donnerfaust" Brown, wie der amtierende Premier wegen seines rüden Tons genannt wird, setzt nach seinem überraschenden Comeback auf sanfte Einschnitte, um das Staatsdefizit zu senken, ohne dabei den zarten Aufschwung zu gefährden. Für eine zweite Amtszeit verspricht er, den Erbadel im Oberhaus abzuschaffen und das Verhältniswahlrecht einzuführen. Jugendliche sollen nach seinen Plänen schon ab 16Jahren wählen dürfen.

Dreh- und Angelpunkt wird beim Urnengang am 6. Mai jedoch die Frage sein, wem mehr Kompetenz in Wirtschaftsfragen zugetraut wird. Cameron mag hier wenig Erfahrung vorzuweisen haben, Veteran Brown war jedoch als Ex-Schatzkanzler mitbeteiligt an der laxen Regulierung der Bankenbranche, die die Finanzkrise überhaupt erst ausgelöst hat.

Bei dieser Qual der Wahl verwundert es nicht, wenn ein Drittel der Briten noch unentschlossen ist. Die Ratlosigkeit kommt vor allem der nationalistischen BNP zu Gute und den Liberalen, die mit 20 Prozent Zustimmung derzeit weit von Ämtern in Westminster entfernt sind, bei der drohenden Hängepartie im Mai jedoch politische Königsmacher sein könnten.