Heftige Kritik an Merkels Atomkurs
Die Bundeskanzlerin will ältere Kraftwerke abschalten — und gerät damit zwischen die Fronten.
Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerät mit ihrer Kehrtwende in der Atompolitik zwischen die Fronten. Grüne und SPD warfen ihr am Donnerstag im Bundestag „Kumpanei mit der Atomwirtschaft“ vor, während die Konzerne ihrerseits kein gutes Haar an der Entscheidung der Kanzlerin ließen, die älteren deutschen Kraftwerke vorübergehend abzuschalten.
Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen warnte davor, ein deutscher Alleingang mit der Abschaltung von gleich sieben Meilern könne zu Stromausfällen in ganz Europa führen. „Das Netz ist viel sensibler, als viele denken“, sagte Teyssen unserer Zeitung.
Sicherheitstechnisch sei das Moratorium eine „politische Aktivität in Richtung Mitbürger“, sicherheitstechnisch sei es aber sinnlos. Denn Atomkraftwerke ließen sich nicht einfach abschalten. Wenn sie vom Netz gingen, glühten die Brennstäbe weiter.
In einer Regierungserklärung im Bundestag verteidigte Merkel die vorläufige Abschaltung der ältesten Meiler: „Was wir brauchen, ist ein Ausstieg mit Augenmaß.“
Unterdessen lösten gestern Meldungen über ein geheimes Papier des Bundesumweltministeriums in Berlin Aufregung aus. Nach Recherchen der ARD handelt es sich um die Grundlage für die Entscheidung der Regierung, ein Moratorium über die Verlängerung der Restlaufzeit der Atommeiler zu verhängen.
Die Hürden bei den vorgesehenen Sicherheits-Checks seien so hoch, dass auch neuere Kernkraftwerke ihre Rentabilität verlieren würden — das Aus aus Kostengründen.
Der neue Katalog fordert hochwasser- und erdbebensichere Atomkraftwerke. Alle erdenklichen Nachrüstungsmaßnahmen müssten die Gefahren eines Stromausfalls besser abwenden. Auch Flugzeugabstürze dürfen demnach keine Gefahr darstellen. Der langjährige Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium, Wolfgang Renneberg, sprach von einer „unglaublichen Entwicklung“.