Im Atomland Frankreich wachsen Skepsis und Unbehagen

Der deutsche Nachbar ist in Sachen Kernergie führend in Europa. Doch der Konsens bröckelt.

Paris. Im engsten Kreise treuer Berater und Parteifreunde steckte Frankreichs Präsident den Kurs in der anschwellenden Atomkraft-Debatte klar ab. Die Frage eines Ausstiegs stelle sich schlichtweg nicht, dozierte Nicolas Sarkozy, weil Frankreich weltweit über den sichersten Park an Atomkraftwerken verfüge.

Während die Regierung auf der anderen Rheinseite die Energiewende einläutet und vorübergehend sieben Reaktoren vom Netz nimmt und während auch die Menschen im eigenen Land ein Gefühl des Unbehagens beschleicht, hält Sarkozy demonstrativ, beinahe trotzig Kurs.

Frankreich ist in Europa seit jeher die Nummer eins in Sachen Kernenergie, fast 80 Prozent des Stroms werden aus den 58 Atomkraftwerken gewonnen. Dass sich Sarkozy im Ausland als Frankreichs oberster Atomlobbyist betätigt, steht quasi in seinem „Arbeitsvertrag“.

Der Atomkonzern Areva wie auch die Energieriesen EDF und GDF Suez befinden sich zu hundert Prozent in Staatsbesitz. Kein Wunder, dass in Frankreich ein breiter Konsens in Sachen Kernenergie besteht.

Die konservativen Gaullisten sind leidenschaftlich dafür, die Sozialisten natürlich auch, und selbst der mögliche grüne Präsidentschaftskandidat Nicolas Hulot gilt als „pro-nucleaire“. Doch nun hat der drohende Super-Gau in Japan auch die Franzosen aufgeschreckt. Auf einmal machen sich Ernüchterung, Unbehagen und Skepsis breit.

Bezeichnend ist die Titelseite der Zeitung „Le Parisien“ vom Montag. „Müssen wir Angst vor der Kernenergie haben?“ fragte das Pariser Massenblatt mit Blick auf Japan besorgt.

Daniel Cohn-Bendit, Grünen-Fraktionschef im Europaparlament und Anführer des Pariser Mai, dringt auf eine Volksabstimmung. Besonders umstritten ist unter Umweltschützern das elsässische Atomkraftwerk Fessenheim zwischen Mulhouse und Freiburg. Frankreichs ältester Reaktor, in den 1970ern ans Netz gegangen, hat sich als besonders anfällig für Störungen erwiesen, außerdem liegt er in einer erdbebengefährdeten Region am Oberrhein.