Aufstand der Sicherungsverwahrten
Die Insassen fordern Spielkonsolen, Frauenbesuch ohne Aufsicht, mehr Taschengeld und freies Surfen im Internet.
Düsseldorf. Seit dem 10. August weigert sich ein Insasse der JVA Aachen, das Gefängniss-Essen anzunehmen.
Der Mann ist einer von 113 Sicherungsverwahrten in Nordrhein-Westfalen und er möchte mit seiner Nahrungsverweigerung zwei Dinge erreichen: Er fordert, dass ihm eine Spielekonsole erlaubt und die geschlossene Unterbringung gelockert wird.
Laut Justizministerium NRW bezieht sich der Mann auf das im Mai gefällte Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Es schreibt vor, dass die Sicherungsverwahrung in Deutschland innerhalb von zwei Jahren gründlich überarbeitet werden muss. Sie müsse sich deutlich von einer normalen Haft unterscheiden. Die Rede ist von einem „freiheitsorientierten Vollzug“.
Während sich Bund und Länder Gedanken über neue Therapieansätze und Beschäftigungsmöglichkeiten machen, stellen nun immer mehr Insassen ihre eigenen Forderungen. In den vergangenen acht Wochen haben Sicherungsverwahrte in vier Gefängnissen aufbegehrt. In der JVA Freiburg verlangen Insassen laut „Stern.de“ Essbesteck mit echten Messern sowie ein Ende der Briefzensur.
In Berlin Tegel haben Mitte August zunächst acht Häftlinge die Anstaltsnahrung verweigert und persönliche Anliegen vorgebracht. Inzwischen ist noch einer übrig. „Ich kann den Protest nicht nachvollziehen, weil sich Berlin seit Monaten darum bemüht, auf die Anliegen der Sicherungsverwahrten einzugehen“, sagt Michael Kanert, Sprecher der dortigen Senatsverwaltung für Justiz.
Der bislang bekannteste Fall ereignete sich im vergangenen Monat in Celle, wo fünf Männer einen Katalog mit 25 Forderungen aufstellten und 37 Tage lang kein Anstaltsessen anrührten. Für Furore sorgte der Fall, weil die Männer zunächst auch Damenbesuch ohne Aufsicht gefordert hatten.
Daneben ging es um freies Surfen im Internet und mehr Taschengeld. „Die Männer beziehen sich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts“, sagt Georg Weßling, Sprecher des Justizministeriums in Niedersachsen.
Dabei wurden die Haftbedingungen in den Anstalten bereits gelockert. In NRW etwa werden die Zellen der Sicherungsverwahrten erst Stunden später abgeschlossen als die der Strafgefangenen. Gemeinschaftsräume können häufiger genutzt werden, der Hof ist ganztägig offen, das Taschengeld ist höher und es dürfen mehr persönliche Gegenstände mit in die Zellen genommen werden.
Die fünf Männer in Celle gaben ihren Protest schließlich auf. Auch dem Aachener werden keine Chancen eingeräumt. Von einem Hungerstreik könne zudem keine Rede sein, so ein Sprecher des Justizministeriums. Der Mann habe zuvor sämtliches Taschengeld für Lebensmittel ausgegeben. „Desweiteren besteht Grund zur Annahme, dass der Verwahrte von Mitgefangenen mit Essen versorgt wird.“