Besucherandrang bei Kirchentag in Dresden
Dresden (dpa) - Gebet, Gesang und politische Debatten: Der Evangelische Kirchentag in Dresden ist mit einem breiten Programm zu Glaube und Gesellschaft und mit unerwartet vielen Besuchern angelaufen.
120 000 Christen aus ganz Deutschland haben sich zum größten protestantischen Laientreffen versammelt. Es dauert bis Sonntag.
Bei der Eröffnung am Mittwochabend drängte Bundespräsident Christian Wulff die beiden großen Kirchen in Deutschland zu mehr Ökumene. Die christliche Botschaft sei in Zukunft nur dann glaubwürdig, „wenn sie von allen Christen gemeinsam bezeugt, gemeinsam gelebt wird“, sagte der Katholik.
Für das fünftägige Fest des Glaubens haben sich so viele angemeldet wie seit dem Kirchentag 1995 in Hamburg nicht mehr. Ein Drittel kommt aus dem Osten. „Dies ist der erste wirklich gesamtdeutsche Kirchentag seit (dem Mauerbau) 1961“, schloss Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt daraus. Die Resonanz gerade in Ostdeutschland sei umso bemerkenswerter, als dort nur ein Viertel der Bevölkerung einer christlichen Kirche angehöre. Im Westen sind es 70 Prozent.
Nach der feierlichen Eröffnung und einem stimmungsvollen Abend der Begegnung mit zigtausenden Kerzen an und auf der Elbe startete am Donnerstag die inhaltliche Arbeit des sehr politisch geprägten Kirchentags. Bei einer Podiumsdiskussion räumte Wulff Probleme bei der Integration von Zuwanderern in Deutschland ein, sah aber auch Fortschritte. „Wir kommen voran, nicht schnell genug, aber wir kommen voran“, sagte er. „Wir brauchen Offenheit gegenüber Fremden.“ Sie seien eine Bereicherung für die Gesellschaft, wenn sie sich an die Verfassung hielten. „Das Grundgesetz gilt für alle, egal welcher Religion sie angehören.“
Ex-Bischöfin Margot Käßmann prangerte den deutschen Waffenhandel an. „Es ist die Rolle der Kirchen zu fragen, ob es wirklich legitim sein kann, am Waffenhandel zu verdienen“, sagte sie bei einer Bibelarbeit vor 6500 Zuhörern. Sachsens Landesbischof und EKD-Vize Jochen Bohl sieht Christen in politischer Verantwortung. „Ich ermutige ausdrücklich, sich in einer demokratischen Partei zu engagieren.“ Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer äußerte sich skeptisch zu dem von der Bundesregierung ins Auge gefassten Atomausstieg.
Tausende strömten am Himmelfahrtstag zu einem Ökumenischen Gottesdienst in das Dresdner Fußballstadion. Unter dem Motto „Hin und Weg - Jesu Weg und unsere Wege“ predigten Bischöfe der evangelischen und katholischen Kirche sowie der Methodisten, ein russisch-orthodoxer Erzpriester und ein Pastor. Zu einer Gala zum 50-jährigen Bestehen des christlich-jüdischen Dialogs wurde am Abend auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erwartet.
Auf einem Markt der Möglichkeiten präsentieren mehr als 800 Vereine, Verbände und ehrenamtliche Gruppen ihre Projekte. Das Spektrum reicht vom bürgerschaftlichen Engagement über Jugendarbeit bis zu Hilfsprojekten in ärmeren Teilen der Welt. Zudem wollen sich Teilnehmer für fairen Welthandel und gegen Ausbeutung in armen Ländern durch große Konzerne einsetzen.
Der Evangelische Kirchentag wird alle zwei Jahre in einer anderen Stadt organisiert und steht diesmal unter der Losung „ ... da wird auch dein Herz sein“. Das Großereignis wurde nahezu ausschließlich von Laien vorbereitet, 5000 ehrenamtliche Helfer engagieren sich.
Die Veranstalter erhoffen sich neue Impulse für den Glauben. „Ich würde mich freuen, wenn dieser Kirchentag bei Suchenden die Erkenntnis stärkt und Interesse daran weckt, dass das Christentum glaubwürdige Antworten und Angebote bereithält“, sagte Göring-Eckardt, die als Politikerin der Grünen auch Bundestagsvizepräsidentin ist.