Bundesrat als Laufsteg der Wahlkämpfer

Die rot-grüne Mehrheit will sich in der Länderkammer heute noch einmal präsentieren.

Berlin. Oskar Lafontaine nutzte 1998 als SPD-Chef die damalige rot-grüne Mehrheit im Bundesrat, um die Regierung von Helmut Kohl vorzuführen. Nahezu alles wurde blockiert. Ganz so direkt hat die Opposition die für sie erneut günstige Lage in der Länderkammer diesmal nicht missbraucht.

Bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause heute wird das noch einmal deutlich werden. Es stehen nämlich viele Kompromisse auf der Tagesordnung. SPD und Grüne wollen nicht als Total-Verhinderer dastehen. Allerdings nutzen sie ihre absolute Mehrheit (36 von 69 Stimmen), um eigene Positionen deutlich zu machen.

Das praktizieren beide Parteien so seit der Niedersachsen-Wahl im Januar, als sie erstmals eine eigene „Gestaltungsmehrheit“ im Bundesrat gewannen. So setzten sie gleich einen Beschluss zur Einführung des Mindestlohns auf die Tagesordnung. Ebenso ließen sie abstimmen, dass das Betreuungsgeld nicht eingeführt werden solle. Die Beschlüsse hatten zwar nur Appell-Charakter, zwangen aber die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundestag, sie zurückzuweisen. Heute soll das fortgesetzt werden.

Eine Reihe von Entschließungen sind eingebracht, die alle von rot-grün-regierten Ländern stammen. So die Forderung, die Jugendarbeitslosigkeit in Europa wirksam zu bekämpfen und ein Gesetzentwurf, mehrere Staatsangehörigkeiten zuzulassen.

Einen Missbrauch der Länderkammer für ein parteipolitisches Schaulaufen kann die Bundesrats-Ministerin aus NRW, Angelica Schwall-Düren (SPD), darin nicht erkennen: „Es ist doch legitim, wenn die Parteien vor Wahlen ihre Alternativen darstellen.“

Der Wert der Beschlüsse wird diesmal noch geringer sein, denn der Bundestag wird sich mit ihnen gar nicht mehr befassen. Den von Union und FDP geäußerten Blockadevorwurf lässt Rot-Grün nicht auf sich sitzen. Schwall-Düren: „In den allermeisten Fällen haben wir uns geeinigt.“ Tatsächlich stehen heute neun Punkte auf der Tagesordnung, bei denen es zuletzt im Vermittlungsausschuss eine Verständigung gegeben hat. So etwa über die Reform der Flensburger Punktedatei.

Weitere „Rückläufer“ aus dem Vermittlungsverfahren sind die Reform des Arzneimittelgesetzes, die Umsetzung der Bankenrichtlinie Basel III und der europäische Fiskalvertrag.