Bundesregierung quittiert Seehofers Groll mit Ruhe
Berlin/München (dpa) - Vor dem Krisentreffen der großen Koalition zur Asylpolitik verschärft CSU-Chef Horst Seehofer seinen Konfrontationskurs. Der bayerische Ministerpräsident drohte mit politischen und juristischen Konsequenzen, falls die Gespräche mit Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Gabriel scheitern.
„Wir sind gut vorbereitet für alles - wobei ich mir nach wie vor das Gute wünsche, nämlich eine Verständigung über die Maßnahmen zur Begrenzung“, sagte Seehofer. Derweil sollen die deutschen Grenzkontrollen bis mindestens 13. November weiterlaufen, möglicherweise sogar noch mehrere Monate.
Der CSU-Chef spricht am Samstag mit Merkel, am Sonntag folgt ein Dreiertreffen mit der CDU-Vorsitzenden und Gabriel. Aus Sicht der Kanzlerin sollen diese Gespräche der weiteren engen Abstimmung in der Flüchtlingskrise dienen. Dazu gehöre auch, „regelmäßig den gegenseitigen Sorgen zuzuhören und diese auszutauschen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Dies sei so in der vergangenen Woche verabredet worden.
Seehofer hatte zu Wochenbeginn ultimativ ein Umsteuern der Bundesregierung zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms bis Sonntag verlangt. „Da geht es darum, ob der Staat versagt oder funktioniert“, sagte der CSU-Chef am Mittwoch. Die Flüchtlinge seien dabei, „den Rechtsstaat zu überlaufen, sozusagen zu überrumpeln, das wird auf Dauer nicht gehen“. Ein Nachgeben der CSU schloss er aus: „Wir sind da ganz fest und hart in der Sache.“ Seehofer hat Merkel unter anderem schon eine Verfassungsklage angedroht.
Einen „Bild“-Bericht vom Mittwoch, wonach er als letzten Ausweg einen Rückzug der CSU-Minister aus dem Bundeskabinett erwäge, dementierte Seehofer nicht - zu „einzelnen Spekulationen“ wolle er aber nichts sagen. Einen Koalitionsbruch hat er wiederholt ausgeschlossen. Konkreter wollte er auch auf mehrfache Nachfrage nicht werden. Falls es am Wochenende keine Vereinbarung gibt, soll der CSU-Vorstand am Montag über „Optionen“ reden.
Noch schärfere Worte als Seehofer wählte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU): „Wir haben eine echte Koalitionskrise“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag. Im Verhältnis zwischen CDU und CSU handele es sich „um die schwierigste Situation seit 1976“, als die CSU vorübergehend die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag verließ.
Seehofer will mit Merkel und Gabriel über mehrere Punkte sprechen: Er nannte die von der CSU geforderten Schnellabschiebeunterkünfte („Transitzonen“) für chancenlose Asylbewerber in Grenznähe, den Schutz der EU-Außengrenzen, die Kontingentierung von Flüchtlingen und die angestrebte Vereinbarung der EU mit der Türkei, die als Schlüsselland zur Bewältigung der Flüchtlingskrise gilt.
Angesichts des anhaltend großen Flüchtlingsandrangs will die Bundesregierung die Kontrollen an der deutschen Grenze zunächst um zwei Wochen bis zum 13. November verlängern. Das kündigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in einem Schreiben an die EU-Kommission an. Sofern sich die Lage bis dahin nicht signifikant ändere, würden die Kontrollen anschließend „für die Dauer von zunächst drei Monaten fortgeführt“, heißt es darin weiter.
Allein am Montag hatten 10 000 Flüchtlinge die österreichisch-deutsche Grenze überschritten, am Dienstag waren es nach den Zahlen des bayerischen Innenministeriums 7400. Kanzlerin Merkel stemmt sich gegen die Forderung der CSU, eine Obergrenze für die Zahl der Flüchtlinge festzulegen, die Deutschland aufnimmt.
De Maizière kritisierte am Mittwoch das Verhalten Österreichs in der Flüchtlingskrise. „Wir haben zu beanstanden, dass Flüchtlinge ohne jede Vorwarnung nach Eintritt der Dunkelheit an bestimmte Stellen gefahren worden sind und dort unvorbereitet und ohne jede Vorsorge an die deutsche Grenze gekommen sind“, sagte er. Nun habe Wien zugesagt, „wieder zu einem geordneten Verfahren zurückzukehren“, sagte der Minister weiter. „Ich erwarte, dass das ab sofort geschieht.“
Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte dem Sender HR-Info, dass der Flüchtlingsansturm auf österreichischer Seite bald kaum noch zu bewältigen sei und mehr als 17 000 Flüchtlinge in Transitquartieren nach Deutschland wollten. Der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag) sagte Mikl-Leitner: „Die derzeitige Situation in Slowenien, Österreich oder auch in Deutschland beweist, dass wir so rasch wie möglich an einer Festung Europa bauen müssen.“ Sie verteidigte die geplante Errichtung „technischer Sicherungen“ wie eines rund 30 Kilometer langen Zauns an der Grenze zu Slowenien.