Reform Bundeswehr: Von der Leyen verordnet Kehrt und Marsch

Jetzt soll die Bundeswehr auch personell wieder wachsen - Eine Ministerin mausert sich.

Ursula von der Leyen baut die Bundeswehr um.

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Berlin. Die Reformen kommen im Monats-, manchmal schon im Wochenrhythmus. Ursula von der Leyen (CDU) baut die Bundeswehr systematisch um. Die erste Frau in diesem Amt tritt deutlich aus dem Schatten ihrer Vorgänger heraus. Gestern erklärte die 57jährige Verteidigungsministerin, dass die Armee künftig wieder mehr Soldaten und Zivilpersonal haben solle. Das ist sogar eine Kehrtwende um 180 Grad.

Die erst 2011 vom damaligen Amtsinhaber Thomas de Maizière (CDU) festgelegte Obergrenze von 185.000 Soldaten und 56.000 Zivilpersonal fällt. Von der Leyen will das militärische Personal in den nächsten sieben Jahren um 14.300 und das zivile um 4.400 aufstocken. Gut zur Hälfte durch Neueinstellungen von außen. Zur anderen Hälfte dadurch, dass "Binnenkapazitäten" gehoben werden. So sollen Zeitsoldaten länger bleiben können oder die Phase der Berufsförderung später beginnen. 90 Millionen Euro wird das im ersten Jahr zusätzlich kosten.

Eine starre Obergrenze soll es grundsätzlich nicht mehr geben. Die Bundeswehr sei, sagte von der Leyen, "gefordert wie selten zuvor"; sie müsse sich "in allen Bereichen" modernisieren. Fünf neue Auslandseinsätze sind unter ihrer nunmehr zweieinhalbjährigen Amtszeit dazugekommen, darunter Syrien und Mali. Und neue Bedrohungen wie der Cyberkrieg. Der Koalitionspartner SPD unterstützt das Projekt im Grundsatz.

De Maizière hatte seinerzeit eine Schrumpfarmee dirigiert und unter anderem ein "Reformbegleitprogramm" verkündet, um den Personalabbau zu beschleunigen. Es enthielt auch Abfindungen für das vorzeitige Ausscheiden, den so genannten "Goldenen Handschlag". Eine Milliarde Euro wurden dafür bereitgestellt. Pikant: Das Programm läuft bis 2017, Restmittel werden dafür immer noch ausgegeben, während man schon längst an die Neugewinnung von Personal denkt. Es handele sich um Einzelfälle, hieß es im Verteidigungsministerium. Man habe nicht so abrupt umsteuern können.

Lange galt de Maizière als Konkurrent von der Leyens um die Nachfolge Angela Merkels als Kanzlerin. Das ist vorbei. Zum einen, weil der Innenminister in der Flüchtlingskrise keine gute Figur machte. Zum anderen, weil von der Leyen sich des Erbes ihres Vorgängers gründlich entledigt hat. Vor allem bei den teuren und schlecht funktionierenden Rüstungsprojekten, die de Maizière fast das Amt gekostet hätten.

Von der Leyen holte sich mit Katrin Suder eine Staatssekretärin aus der freien Wirtschaft, die den Klüngel mit der wehrtechnischen Industrie weitgehend beendete. Der nächste Schlag der Ministerin war der "Weißbuch"-Prozess - die verteidigungspolitischen Grundlagen wurden komplett neu formuliert. Von der Leyen unterstrich damit auch ihre außenpolitischen Ambitionen. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) rang sie das Versprechen ab, den Verteidigungsetat wieder zu erhöhen.

Er soll von derzeit 34,3 Milliarden Euro auf 39,2 Milliarden im Jahr 2020 wachsen. Von der Leyen nutzt die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen, um der Armee mehr Geld, Gerät und Personal und sich selbst mehr Macht zu verschaffen. Vor vier Wochen verkündete die Ministerin die Schaffung einer neuen Teilstreitmacht namens "Cyberraum", die den Krieg im Internet führen soll.

Die Ministerin verkündet ihre Pläne mit Ausnahme kurzer, gut vorbereiteter Fernsehstatements stets in vertraulichen Runden mit Journalisten. Alles ist höchst kontrolliert. Neben ihr sitzen dabei immer die gleichen Vertrauten, die sie schon im Arbeitsministerium an der Seite hatte. Pressesprecher Jens Flosdorff und Staatssekretär Gerd Hoofe. Dazu Generalinspekteur Volker Wieker und Staatssekretärin Suder. Die Spitze des Verteidigungsministeriums wirkt derzeit wie ein eingeschworenes Team, das Aufbruchgeist und gute Laune ausstrahlt. Das war lange nicht so, schon gar unter dem hierarchisch denkenden de Maizière.

Es ist ein Team, das sich fast jede Aufgabe zutraut.