Castor so lange unterwegs wie nie

Gorleben/Dannenberg (dpa) - Schwierige Schlussetappe für den bisher langsamsten Castor-Transport: Mehr als 100 Stunden nach seiner Abfahrt in Frankreich hatte der von massiven Protesten begleitete Konvoi am späten Sonntagabend sein Ziel in Gorleben immer noch nicht erreicht.

Wann er in Gorleben eintrifft, ist völlig offen. Seit dem Morgen blockierten Atomkraftgegner die Schienenstrecke auf einer entscheidenden Etappe. Vier Landwirte ketteten sich an einer rund 600 Kilogramm schweren Betonpyramide an. Der am Mittwoch in Frankreich gestartete Transport mit hoch radioaktivem Müll kam wegen der massiven Proteste nur stockend voran und war länger unterwegs als je zuvor.

Der Verladebahnhof in Dannenberg wurde unterdessen für die Ankunft der elf Castoren vorbereitet und stark gesichert. Die Atommüll-Container sollten dort auf Speziallaster umgesetzt werden, um die letzte Etappe ins Zwischenlager Gorleben zurückzulegen.

Am Sonntag besetzten immer wieder bis zu 1000 Menschen an mehreren Orten die Gleise, um den Castor-Zug so lange wie möglich aufzuhalten. In einem unwegsamen Walstück spitzte sich die Lage zwischen vermummten Demonstranten und der Polizei außerdem zu, es kam zu gewaltsamen Zusammenstößen. Polizisten wurden mit Steinen und Böllern angegriffen, Barrikaden brannten.

„Das ist eine Intensität der Gewalt, die wir hier sonst nicht kannten“, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Dietmar Schilff, der Nachrichtenagentur dpa. Die Belastung für die Polizeibeamten sei sehr hoch. Insgesamt sind 19 000 Kräfte während des Castor-Transports in Deutschland pausenlos im Einsatz, um die Strecke zu sichern. Zu den Protesten sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg: „Wir setzen hiermit ein politisches Zeichen.“

Die Betonpyramide, an der sich vier Landwirte - drei Männer und eine Frau - angekettet hatten, war für die Polizei das wohl schwierigste Hindernis auf der Castor-Strecke. Angesichts einer komplizierten Konstruktion hatten die Polizisten Mühe, die Atomkraftgegner zu lösen. Die Bauern seien bereit, das Gleis zu verlassen, wenn Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) einen sofortigen Baustopp für den Gorlebener Salzstock und alle Castortransporte nach Gorleben verhänge, sagten sie.

„Das ist kein Spaß mehr“, sagte ein Polizeisprecher. Auf dem Arm der Frau laste inzwischen schwerer Druck. Zudem habe sich das Schotterbett der Gleise unter der Pyramide bereits abgesenkt. Seit den frühen Morgenstunden lagen die vier Landwirte auf den Gleisen, rund zehn Kilometer vor Dannenberg. Ein Ende sei nicht absehbar, hieß es am Abend von der Polizei. Wenige Meter hinter der Pyramide setzten sich zudem einige hundert Menschen auf die Gleise.

Auch an vielen anderen Stellen am Rande der Schienenstrecke war die Lage äußerst unübersichtlich. Immer wieder gab es in den Waldstücken spontane Blockaden. Außerdem konnte eine Warnung vor Sturmböen bis in die Abendstunden das notwendige Umladen der Castor-Behälter auf Lastwagen unmöglich machen.

Das Eingreifen gegen Demonstranten mit Wasserwerfern und Schlagstöcken löste erneut einen Streit über die Polizei-Strategie aus. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth kritisierte: „Der Polizeieinsatz ist absolut überzogen. Er ist ein Anschlag auf die Demokratie.“ Roth und andere Delegierte wollten nach Abschluss des Grünen-Bundesparteitags in Kiel selber nach Gorleben fahren.

Die Gewerkschaft der Polizei wies die Vorwürfe zurück. Der Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut erklärte, die Polizisten hätten die Verhältnismäßigkeit gewahrt und sich um Deeskalation bemüht. „Sie haben allerdings die Aufgabe, den rechtmäßigen Transport der Behälter in das Zwischenlager sicherzustellen.“ Dazu dürften die Polizisten auch körperliche Gewalt einsetzen.

Der Castor-Zug hatte am Sonntagnachmittag seine Fahrt Richtung Dannenberg nach einem kurzen Stopp in Lüneburg fortgesetzt. Auch auf dem letzten, 20 Kilometer langen Stück des Weges auf der Straße bis zum Zwischenlager wurde mit Protestaktionen der Atomkraftgegner gerechnet.