CDU und FDP gehen auf Distanz

Berlin (dpa) - Kurz vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gehen CDU und FDP auf Distanz. Angesichts knapper Umfragewerte zeigen sich vor allem liberale Spitzenpolitiker aus NRW offen für eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen.

„Jede Regierung, in der die FDP liberale Inhalte durchsetzt, ist eine gute Regierung“, sagte der Landesvorsitzende Daniel Bahr der „Welt am Sonntag“. Spitzenkandidat Christian Lindner verwies demonstrativ auf Übereinstimmungen mit der SPD - und die sozialliberale Tradition in Nordrhein-Westfalen.

Zugleich forderte auch CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen seine Partei auf, offen für neue Koalitionsmodelle sein. „Das Lagerdenken alten Stils ist vorbei. Es passt nicht mehr in eine dynamische Zeit, die kreative Antworten erfordert“, sagte der Bundesumweltminister dem „Focus“. Parteien träten nicht mehr in Regierungsbündnissen an, sondern jeweils mit eigenen Inhalten. „Nach den Wahlen sind sie dann gefordert, verantwortlich mit dem jeweiligen Ergebnis umzugehen. Das wird mal diese und mal jene Konstellation ergeben.“

Bei der Eröffnung des Straßenwahlkampfs in Nordrhein-Westfalen griff Lindner die Haushaltspolitik von Rot-Grün scharf an. „Hannelore Kraft beschädigt die Zukunft der jungen Generation in NRW und damit die Glaubwürdigkeit Deutschlands in Europa“, sagte er am Samstag in Münster. In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ betonte der frühere Generalsekretär hingegen ausdrücklich Gemeinsamkeiten mit der SPD.

„In Nordrhein-Westfalen gibt es die interessante Konstellation, dass sich in manchen Aspekten der Industriepolitik einerseits SPD und FDP nahestehen, andererseits CDU und Grüne. Das finde ich bemerkenswert“, sagte Lindner. Zwar habe die FDP immer noch Gemeinsamkeiten mit der Union. „In NRW gibt es andererseits eine sozialliberale Tradition.“

Er kündigte an, auf einem Landesparteitag am 6. Mai gegebenenfalls eine Koalitionsaussage zu treffen. Bundesgesundheitsminister Bahr forderte: „Wir müssen von Wahl zu Wahl entscheiden, ob Inhalte und auch Personen zusammenpassen.“

FDP-Chef Philipp Rösler ließ dagegen in der „Leipziger Volkszeitung“ die Frage nach Ampelkoalitionen offen. Zugleich verteidigte er den offensiven Kampf der Liberalen um bisherige CDU-Wähler: „Wähler wollen Wettbewerb. Und in einer Koalition fusioniert man nicht, sondern bleibt eigenständig.“

Umfragen sagen für die Landtagswahl in NRW am 13. Mai eine rot-grüne Mehrheit voraus. Seit Lindners Nominierung haben sich die Werte der FDP in manchen Umfragen jedoch auf vier Prozent verdoppelt, so dass ein Wiedereinzug in den Landtag nicht mehr als ausgeschlossen gilt. Sollte Rot-Grün schlechter abschneiden als erwartet, wird für diesen Fall über die Bildung einer Ampelkoalition spekuliert.

In einem Wahlaufruf stärkten die Altliberalen Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel und Gerhart Baum Lindner inzwischen den Rücken. „Wir trauen Christian Lindner zu, für unser Land Richtungsentscheidungen mitzuprägen. Die von ihm gesetzten Prioritäten sind richtig“, heißt es in dem Aufruf, der am Samstag im „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlicht wurde. Und weiter: „Wir setzen auf Christian Lindner, der auf seine ganz eigene, ernsthafte Art Menschen für das liberale Lebensgefühl begeistern kann, die der Politik der FDP bislang zweifelnd begegnet sind.“

Lindner wertete dies klare Rückendeckung: „Das ist Bestätigung für unsere Arbeit“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa in Münster. Auch Rösler, der in dem Aufruf mit keinem Wort erwähnt wird, begrüßte den Vorstoß. „Jede Rückenstärkung für unsere Wahlkämpfer hilft der gesamten FDP, ihre Wahlziele zu erreichen“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Samstag).