Fraktionen wollen Rederecht im Bundestag beschneiden
Berlin (dpa) - Harte Zeiten für Abweichler: Union, SPD und FDP erwägen, das Rederecht der Abgeordneten im Bundestag weiter zu beschränken.
Nach einem Entwurf des Geschäftsordnungsausschusses sollen künftig nur von die Parlamentarier das Wort erhalten, die von den Fraktionen dazu bestimmt wurden, wie die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf das Papier berichtet. Andere Abgeordnete dürfte der Parlamentspräsident dann nur noch ausnahmsweise und maximal drei Minuten lang reden lassen - und auch dies nur nach Rücksprache mit den Fraktionen.
Die geplante Neuregelung gilt auch als Konsequenz aus der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm im vergangenen September. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte damals großen Unmut ausgelöst, weil er außer der Reihe die Abgeordneten Klaus-Peter Willsch (CDU) und Frank Schäffler (FDP) ans Rednerpult ließ, die von ihren Fraktionen abweichende Meinungen vertraten. Die Fraktionschefs hatten protestiert, der Ältestenrat erteilte Lammert eine Rüge.
In den Reihen der Abgeordneten, aber auch im Bundestagspräsidium stießen die Pläne auf scharfe Kritik. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) erteilte den Vorschlägen eine klare Absage. Eine starre Regelung, wer reden dürfe und wer nicht, „wäre nicht sinnvoll und entspräche weder dem Geist des Parlamentarismus noch dem Inhalt der Debatten“, sagte der SPD-Politiker der Zeitung „Sonntag Aktuell“.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, kündigte Widerstand an. „Mit der faktischen Abschaffung der mündlichen Erklärung zur Abstimmung wird die Artikulation des einzelnen Abgeordneten in Konfliktsituationen mit seiner Fraktion massiv eingeschränkt. Das ist in keinem Fall hinnehmbar“, erklärte er am Samstag. „Die Vorschläge werden weder von Grünen und Linken noch vom Präsidenten akzeptiert. Sie sind nicht entscheidungsreif.“
Die FDP-Abgeordnete Sylvia Canel sagte der „Hamburger Morgenpost“: „Das ist ein nicht hinnehmbarer, massiver Einschnitt in die Rechte des Bundestagspräsidenten.“ Linken-Chef Klaus Ernst sagte dem Blatt: „Ein Maulkorb für Kritiker kommt für uns nicht in die Tüte. Abweichler sollen mundtot gemacht werden. Das widerspricht dem Geist der Verfassung.“
Sollte die Neuregelung in dieser Form in Kraft treten, dürften es Abweichler künftig schwer haben, sich im Bundestag zu Wort zu melden. Bisher darf ein Parlamentarier ein Votum vor einer abschließenden Abstimmung fünf Minuten lang begründen. Mit der Neuregelung soll dem Bericht zufolge auch dieses Recht gestrichen werden. Es wären nur noch schriftliche Erklärungen erlaubt. Am 26. April soll nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ im Plenum über die Änderung der Geschäftsordnung abgestimmt werden.