Der Bundestag befindet sich im Dämmerschlaf
Die Opposition ist erzürnt: Wegen der Verhandlungen von Union und SPD passiert kaum etwas.
Berlin. In diesen Tagen geht es in den Gebäuden des Bundestages gemächlich zu. Auf den Fluren trifft man kaum Menschen, in den Kantinen herrscht wenig Hektik, die Bistros sind oft verwaist. Und an den Ausschusssälen liest man seit Wochen den Hinweis: „Zurzeit keine Sitzung.“ Das Parlament befindet sich im Dämmerschlaf. Schuld an der vorübergehenden Arbeitslosigkeit sind Union und SPD. Immerhin — am Montag wirkte der Bundestag ein bisschen wie wachgeküsst.
Die meisten der 631 Abgeordneten trudelten am Morgen zu einem der im Moment seltenen Plenartage ein, um Angela Merkels Regierungserklärung und anschließend den NSA-Skandal zu debattieren (siehe Kasten). Doch danach kehrten sie ihrem Arbeitsplatz wieder den Rücken.
„Es gibt hier nicht viel zu tun“, so eine SPD-Politikerin, die nicht den Koalitionsarbeitsgruppen von Union und SPD angehört. Deren mehr als 200 Mitglieder müssen Schwerstarbeit leisten. Ansonsten ist das Parlament durch die langwierigen Verhandlungen über eine große Koalition lahmgelegt. Das Wort vom „Stillstand“ macht unter der Reichstagskuppel die Runde, weil sich zwei Monate nach der Bundestagswahl der 18. Deutsche Bundestag längst konstituiert hat, aber kein parlamentarischer Alltag stattfindet.
Es fehlt eine neue Regierung. Und weil das so ist, gibt es keine Gesetzesinitiativen, Anträge, Ausschussberatungen, keine Kontrolle und keine regelmäßigen Debattentage. Die Opposition ist erzürnt: Grünen-Chefin Simone Peter sagte unserer Zeitung, der Bundestag sei durch die schwarz-roten Verhandlungen „fast ein halbes Jahr außer Kraft gesetzt“. Man müsse jetzt dringend nach Lösungen suchen.
Ein Instrument soll die Sondersitzung sein: Nach dem Willen der Grünen wird der Bundestag am 28. November die Fortsetzung verschiedener Einsatzmandate der Bundeswehr sowie vom Bundesrat auf den Weg gebrachte Gesetzentwürfe beraten. Im Gespräch ist aber auch, erste Ausschüsse einzusetzen.
Darauf drängt dem Vernehmen nach Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Halten sich Union und SPD an ihren Fahrplan für die Koalitionsbildung, wird es erst kurz vor den Feiertagen die Kanzlerinnen-Wahl geben. Danach geht es in die mehrwöchige Weihnachtspause, am 13. Januar soll dann die erste Sitzungswoche des Bundestages beginnen. Bis dahin wäre also für die Abgeordneten weitgehend Däumchendrehen angesagt.