Der Fall Edathy: Gabriel wusste bereits seit Oktober Bescheid
Der damalige Innenminister Friedrich soll die SPD-Spitze am Rande der Koalitionsverhandlungen über die Ermittlungen informiert haben.
Berlin. Paukenschlag am Donnerstag in Berlin: Da verbreitete SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann eine Pressemitteilung, dass die SPD-Spitze bereits im Oktober über die Ermittlungen gegen ihren damaligen innenpolitischen Sprecher Sebastian Edathy informiert worden sei. Und zwar vom seinerzeit zuständigen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) persönlich am Rande der Koalitionsverhandlungen.
Die Staatsanwaltschaft in Hannover, die die Ermittlungen führt, aber offenbar nicht recht weiterkommt, reagierte heftig. Diese Informationskette grenze an Strafvereitelung. Die Mitteilung Oppermanns sieht für ihn nicht nur deshalb schlecht aus, weil er wie auch Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht noch am Dienstag steif und fest behauptet hatte, vorher nichts gewusst zu haben.
Nun steht der Verdacht im Raum, dass einer aus der SPD-Spitze — informiert waren neben Gabriel, Lambrecht und Oppermann auch der damalige Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier — den Verdächtigen informiert haben könnte. Oppermann wies das zurück, doch wären er und die anderen Genossen nicht einmal zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen.
Auf irgendeinem Weg muss Edathy gleichwohl von den Ermittlungen erfahren haben. Denn seit Anfang Januar wurde er im Bundestag nicht mehr gesehen, und am vergangenen Freitag, kurz vor den Durchsuchungen in seinen Büros und Wohnungen in Niedersachsen, legte er „aus gesundheitlichen Gründen“ plötzlich sein Mandat nieder. Und auf den Computern, die die Fahnder bei den Durchsuchungen fanden, waren kaum brauchbare Spuren zu finden, wurde gestern übereinstimmend von mehreren Medien unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichtet.
Demnach stellten die Fahnder fest, dass Festplatten manipuliert oder unbrauchbar gemacht worden waren. Deshalb geriet seitens der Opposition am Donnerstag zunehmend der frühere Innen- und jetzige Agrarminister Friedrich ins Schussfeld. Die Grünen forderten eine Aufklärung über die Informationsweitergabe an die SPD, FDP-Vize Wolfgang Kubicki gar ein Ermittlungsverfahren gegen den Minister. Der rechtfertigte sich mit der „politischen Dimension“ des Falles.
Angeblich kam das Verfahren gegen Edathy nach dem Auffliegen eines Kinderporno-Ringes in Kanada in Gang. Er soll dort Videos bestellt und bezahlt haben. In Berlin wurde gestern gemutmaßt, dass Edathy wohl wegen dieses Hintergrundes bei der Vergabe von Posten in der großen Koalition nicht berücksichtigt wurde.
Ob Edathy wusste, warum er übergangen wurde, ist unklar. Oppermann erklärte am Donnerstag lediglich, Ende November habe er gehört, dass sich Edathy in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befinde. Er habe daher einen Abgeordneten gebeten, „sich um ihn zu kümmern“.