"Alternative für Deutschland" Der Machtkampf in der AfD schwelt weiter
Parteisprecher Meuthen kann Ausschluss eines Abgeordneten nur teilweise durchsetzen - und hat Petry im Nacken.
Berlin. Eines der wichtigsten innenpolitische Ereignis des Tages fand gestern in einem kleinen Sitzungssaal des Stuttgarter Landtages statt und betraf eine Mini-Fraktion: Die der AfD. Doch hinter der dort von zahlreichen Medienvertretern mit Spannung verfolgten Entscheidung über den Ausschluss eines einfachen Abgeordneten stand eine viele größere Frage: Wer gewinnt den Machtkampf in der AfD? Oder zerlegt sich die Newcomer-Partei ein Jahr vor der Bundestagswahl womöglich selbst?
Formal ging es darum, dass Jörg Meuthen, einer von zwei Bundessprechern und zugleich Fraktionschef der AfD in Stuttgart, den Abgeordneten Wolfgang Gedeon aus der Fraktion werfen lassen wollte. Denn Gedeon hatte in einem Buch nicht nur, wie von ihm selbst eingeräumt, antizionistisch argumentiert, sondern auch antisemitisch. Etwa mit der Formulierung von "gewissen Schandtaten", an die das Holocaust-Mahnmal in Berlin erinnere.
Meuthen wollte so etwas nicht dulden. Als er jedoch drohte, den Fraktionsvorsitz niederzulegen, sollte die für den Ausschluss Gedeons notwendige Zweidrittel-Mehrheit in der Sitzung nicht erreicht werden, wurde aus der regionalen Affäre plötzlich ein Vorgang von bundesweiter Bedeutung.
Denn Meuthen befindet sich mit seiner Co-Vorsitzenden Frauke Petry in einem erbittert geführten Machtkampf. Der 54jährige Wirtschaftsprofessor versucht den Anspruch seiner 41jährigen Konkurrentin, alleinige Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl zu werden, mit allen Mitteln zu verhindern und hat sich dazu letzte Woche auch mit Parteirechten wie Alexander Gauland und Björn Höcke verbunden.
Petry ist ebenfalls wenig zimperlich. Zuletzt schrieb sie am Sonntag eine Mail an alle Mitglieder, in der sie forderte, unabhängige Wissenschaftler sollten Gedeons Buch unter die Lupe nehmen. Damit fiel sie Meuthen kurz vor der Abstimmung in den Rücken, vielleicht in der Absicht, ihm eine Niederlage zu bereiten und ihn so los zu werden. Am Ende siegte keiner. Die Stuttgarter Fraktion beschloss zwar, wie von Petry vorgeschlagen, die Bestellung von Gutachtern, die nun bis September beraten sollen. Zugleich aber erklärte Gedeon, er lasse seine Mitgliedschaft so lange ruhen. Dieser Kompromiss hatte sich bereits am Wochenende abgezeichnet. Meuthen wertete ihn als Erfolg für sich. Er müsse nicht mehr mit Gedeon in einer Fraktion sitzen und mache seine Rücktrittsdrohung daher nicht wahr, erklärte er.
Der Machtkampf an der Spitze ist damit freilich nicht entschieden. Noch immer braucht die Partei einen Spitzenkandidaten und noch immer ist das Verhältnis der beiden Spitzenleute völlig zerrüttet. Schon geht bei vielen Mitgliedern die Angst um, die AfD könnte sich in solchen Querelen zerlegen, wie bisher noch jede rechtspopulistische Kraft.
Zumal es auch in etlichen Landesverbänden ähnliche Konflikte gibt. Der Parteinachwuchs spricht bereits entnervt von einem "Zickenkrieg", der die Zukunft der Partei riskiere, wie das Vorstandsmitglied der Jungen Alternative, Andreas Schumacher, unserer Zeitung sagte. "Der Basis ist das in keiner Weise mehr vermittelbar."
Der rheinland-pfälzische Landeschef Uwe Junge sagte auf Anfrage ebenfalls, er halte die persönlichen Streitereien an der Spitze für schädlich. "Emotionale Auseinandersetzungen dieser Art bringen nie was Gutes". In der jüngsten Meinungsumfrage sank die AfD gestern beim Institut Insa auf 13 Prozent - es war der schlechteste Wert seit April.