Gericht bricht Expertenanhörung zu NSU-Waffe nach Streit ab
München (dpa) - Am 50. Verhandlungstag des NSU-Prozesses hat das Oberlandesgericht München nach heftigen Diskussionen über die Verhandlungsführung die Befragung eines Waffenexperten abgebrochen. Der BKA-Beamte sollte ein Gutachten über die wichtigste Waffe der Neonazi-Terroristen vor Gericht präsentieren.
Mit einer Pistole der Marke „Ceska“ erschossen die Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) laut Anklage neun Geschäftsleute ausländischer Herkunft.
Der Experte verlor sich allerdings zunächst in Details zu Anhaftungen an einzelnen Geschossen, was Zschäpe-Anwalt Wolfgang Stahl beanstandete: „Ich kann das nicht verstehen, was der Sachverständige da macht.“ Dann versuchte der Waffenexperte, seine Methodik zu erklären, was einen Verteidiger an eine „kriminologische Vorlesung“ erinnerte, die keinen Bezug zu den konkreten Fällen erkennen lasse.
Zudem wurde beanstandet, dass der BKA-Beamte Fotos mitgebracht hatte, die den Beteiligten noch nicht vorlagen. Schließlich unterbrach der Vorsitzende Richter Manfred Götzl die Vernehmung. Der Sachverständige soll nun an einem anderen Termin gehört werden und bis dahin fehlende Fotos nachreichen.
Zuvor hatten Experten den Mord an Ismail Yasar im Jahr 2005 in Nürnberg rekonstruiert. Ein LKA-Beamter kam zu dem Ergebnis, dass der Täter fünf Schüsse auf Yasar feuerte. Demnach streifte der erste Schuss das Opfer an der Wange, der zweite durchschlug den Schädel des 50-Jährigen, der möglicherweise in gebeugter Haltung Schutz suchte. Anschließend feuerte der Täter dem am Boden liegenden Yasar drei Mal in den Oberkörper. Nach Angaben eines Gerichtsmediziners lebte Yasar höchstens noch wenige Minuten, bevor er verblutete.
Laut Anklage führten die Neonazi-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Tat aus. Wer von den beiden jeweils schoss, bleibt offen. Beate Zschäpe ist als Mittäterin an sämtlichen Anschlägen angeklagt. Sie soll für die legale Fassade der Gruppierung gesorgt haben.
Der Angeklagte Ralf Wohlleben erschien erstmals in Begleitung seiner Ehefrau vor Gericht. Früher war sie - wie ihr Mann - in der NPD aktiv. Die 32-Jährige nahm als Beistand neben ihm auf den Sitzen der Angeklagten Platz. In Verhandlungspausen hielten die beiden Händchen.
„Sozusagen Schmusewolle“, kommentierte ein Schweizer Journalist auf Twitter. Wohlleben ist in der rechten Szene unter dem Spitznamen „Wolle“ bekannt. Er soll den Terroristen die „Ceska“-Pistole beschafft haben und ist wegen Beihilfe zu neun NSU-Morden angeklagt. Wohlleben galt bis zu seiner Inhaftierung am 29. November 2011 als führendes Mitglied der rechtsextremistischen Kameradschaftsszene in Jena.
Die frühere Nachbarin der „Zwickauer Zelle“ soll möglicherweise per Video im NSU-Prozess vernommen werden. Das sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Donnerstag. Die 91-Jährige sei aus gesundheitlichen Gründen wahrscheinlich nicht in der Lage, vor Gericht in München zu erscheinen.
Der Prozess soll nach den bayerischen Herbstferien am 5. November fortgesetzt werden.