Gesetz stoppt horrende Kassen-Zinsen
Aufschläge sollen reduziert werden, weil Mitglieder in die Schuldenfalle rutschen. Gesetzlichen Versicherern fehlen 4,5 Milliarden.
Berlin. Säumige Beitragszahler verursachen bei den Krankenkassen Schäden in Milliardenhöhe. Die Bundesregierung will den Sündern nun per Gesetz besser aus der Schuldenfalle helfen. Speziell für die Privatversicherer ist ein „Notlagentarif“ geplant.
Besonders die gesetzlichen Krankenkassen können ein trauriges Lied davon singen: Seit Einführung der Versicherungspflicht im Jahr 2007 häufen sich die Beitragsrückstände, weil ein Rausschmiss von Beitragssündern praktisch nicht mehr möglich ist. Dabei bestand das Ziel der damaligen großen Koalition darin, die steigende Zahl von nicht versicherten Personen einzudämmen. Und das ist durchaus gelungen.
Laut Bundesgesundheitsministerium haben in den vergangenen fünf Jahren rund 145 000 zuvor unversicherte Menschen wieder einen Versicherungsschutz erlangt. Die Kehrseite des Gesetzes: Mittlerweile sind bei den gesetzlichen Kassen Beitragsrückstände von 4,5 Milliarden Euro aufgelaufen. Wie viele ihrer 52 Millionen Mitglieder wirklich Beitragsschuldner sind, vermag die gesetzliche Krankenversicherung nicht zu beziffern. Nach den Erfahrungen gehören meist junge Selbstständige mit unsteten Einkommen zu säumigen Zahlern.
Um zu ihrem Geld zu kommen, können die Kassen mit den Schuldnern Ratenzahlungen vereinbaren. Gelingt dies nicht, werden satte Säumniszuschläge auf die ausstehenden Beiträge fällig. Nach geltendem Recht sind es fünf Prozent pro Monat, also 60 Prozent im Jahr.
Was das konkret bedeuten kann, hat das Gesundheitsministerium vorgerechnet: Nach einem Jahr Beitragsschulden müsste ein gesetzlich versicherter Selbstständiger 4249 Euro an die Kasse entrichten. Der darin enthaltene Säumniszuschlag beträgt 937,50 Euro. Bei einem zweijährigen Zahlungsrückstand schuldet er der Kasse schon 10 447 Euro, wovon 3847 Euro Zuschläge sind.
Das Ministerium räumte ein, dass der horrende Säumniszuschlag das Problem für den Schuldner „eher verschärft“. Ein Gesetzentwurf, der sich seit Freitag in der Ressortabstimmung befindet, sieht deshalb eine Absenkung auf ein Prozent vor. Statt 60 Prozent pro Jahr wären dann nur noch zwölf Prozent fällig.
Sowohl bei den gesetzlichen als auch bei den privaten Kassen führen Beitragsrückstände dazu, dass die Leistung auf eine Notfallversorgung reduziert wird. Speziell für die Privatkassen sieht der Gesetzentwurf die Einführung eines „Notlagentarifs“ vor, in den der Beitragsschuldner nach zwei Mahnungen kommen soll.
Der Preis soll 100 Euro im Monat nicht übersteigen. Bei den privaten Anbietern werden die Außenstände auf 554 Millionen Euro beziffert. Beide Kassenarten begrüßen daher die angepeilten Reform. Das Gesetz soll noch vor der Bundestagswahl vom Parlament verabschiedet werden.