Grünes Licht für das Atom-Aus
Nach stundenlangen Debatten stimmt die Ökopartei den schwarz-gelben Plänen zu. Ein Erfolg für den Vorstand.
Berlin. Wenn es schwierig wird bei den Grünen, muss Claudia Roth an die Rednerfront. Denn die Parteichefin versteht es wie kaum eine Zweite in der Partei, Emotion und Vernunft zusammenzubringen. Gefühle sind bei Roth der Transmitter, um die Delegierten auf Linie zu bringen. Im Falle dieses für die Grünen so eminent wichtigen Atom-Sonderparteitages am Samstag ist für sie zwingend Platz eins auf einer langen, sehr langen Rednerliste reserviert.
Und Roth weiß, dass Grüne auf nichts allergischer reagieren als auf den Eindruck, die Parteispitze verordne dem Fußvolk eine Beschlussvorlage. Diesmal soll die Partei dem schwarz-gelben Atom-Ausstieg bis 2022 zustimmen. Ja und Ende — das löst bei den Grünen auch 2011 immer noch die Neigung zur Revolte aus. „Bei uns“, sagt Roth, „entscheidet nicht der Bundesvorstand oder die Fraktion, sondern die Partei.“ Mögliche Reflexe der Basis wie beim Afghanistan-Sonderparteitag 2007 in Göttingen, als die Grünen ihrer Führung eine herbe Niederlage bereiteten, sollen erst gar nicht aufkommen. „Heute ist Berlin und nicht Göttingen“, ruft die Vorsitzende. Und bitte, die Delegierten mögen an das große Ziel denken: raus der Atomkraft, hinein ins solare Zeitalter, „Klimaschutz jetzt“. Da jubelt der Saal.
Die Partei liebt es aber, wenn lange und gründlich diskutiert wird. Also sagen sich die Grünen über Stunden die Meinung. Klaus Töpfer (CDU), der ehemalige Bundesumweltminister und Vorsitzende der Ethikkommission Sichere Energieversorgung, ist als Gastredner aufgeboten. Seine Gastgeber sollen wissen, dass der Atomausstieg „besser gelingt“, wenn er übergreifend von allen Parteien unterstützt werde. „Das ist der Lackmus-Test. Tragen Sie das Ihrige dazu bei“, rät er.
Die Grünen wären aber nicht die Grünen, wenn nicht doch ein Auftritt genügen würde, die erhoffte Zustimmung zu kippen. Und so gibt Hans-Christian Ströbele den Einpeitscher. Der Bundestagsabgeordnete fragt: „Ist das gut genug nach Fukushima?“ Müssten „die Dinger“ nicht viel früher abgeschaltet werden. Schon 2017. Um 15.29 Uhr fühlt es sich so an, als könnte er die Stimmung im Saal drehen.
Fraktionschefin Renate Künast stürmt die Bühne. Der Konter läuft. Im Saal brodelt es. Künast zitiert Karl Marx: „Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“ Der Appell wirkt. Der Parteitag stimmt mit klarer Mehrheit dem Antrag der Parteispitze zu.