Hartz-IV-Verhandlungen könnten länger dauern
Berlin (dpa) - Millionen Langzeitarbeitslose müssen möglicherweise noch länger auf eine Einigung über die Hartz-IV-Reform warten. Bislang hofften Regierung und Opposition, bis zur nächsten Bundesratssitzung am 11. Februar einen Kompromiss zu finden.
Nun gefährdet der Streit über die statistischen Grundlagen für die Berechnung der Regelsätze den Zeitplan. Die SPD warf der Koalition mangelnde Kompromissbereitschaft vor.
Die vom Bundesverfassungsgericht zum 1. Januar 2011 verlangte Reform war vom Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit beschlossen worden, im oppositionsdominierten Bundesrat aber gescheitert. Sie beinhaltet eine bislang noch unklare Anhebung der Regelsätze - die Regierung plant 364 statt 359 Euro - und eine Bildungsförderung für Kinder aus Hartz-IV-Familien. Das Gesetz soll rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte sich in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur offen für eine Ausweitung des geplanten Bildungspakets auf Kinder aus Geringverdiener-Familien gezeigt. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger signalisierte in einem dpa-Gespräch Kompromissbereitschaft bei neuen Vorgaben für die Zeitarbeit.
Für die SPD-Verhandlungsführerin in der eingesetzten Bund-Länder- Arbeitsgruppe, Manuela Schwesig, reicht das aber nicht. „Was ich bei von der Leyen und Homburger sehe, ist der Versuch, mit Punkten und Teilaspekten zu schachern, an denen die Regierung sowieso nicht vorbei kommt.“ Auf „Spiegel Online“ verwies Schwesig, die Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern ist, etwa auf die Notwendigkeit eines Zeitarbeit-Mindestlohns allein wegen der Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für osteuropäische EU-Bürger im Mai 2011. „Frau von der Leyen versucht, auf Zeit zu spielen.“
Von der Leyen hatte der Arbeitsgruppe zuvor geschrieben, dass sie es für ausgeschlossen hält, sämtliche von SPD und Grünen geforderten statistischen Detailauswertungen zur Berechnungsgrundlage der Regelsätze bis zur Bundesratssitzung am 11. Februar vorzulegen. Das Statistische Bundesamt brauche dafür 60 Arbeitstage und ihr Ressort für die Prüfung noch einmal 30 Tage, heißt es in dem Brief, den ihr Ministerium am Freitag veröffentlichte, nachdem die „Süddeutsche Zeitung“ (Freitag) darüber berichtet hatte.
Für von der Leyen ist Schwesigs Verzögerungsvorwurf deshalb „absurd“: „Man kann nicht auf der einen Seite einen in aller Sorgfalt und Plausibilität berechneten Regelsatz verlangen und dann im Vermittlungsausschuss auf das vom Verfassungsgericht anerkannte Verfahren der Statistikexperten verzichten.“
Schwesig hielt dennoch am Zeitplan fest und verlangte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa, die Bundesministerin habe bis zur nächsten Arbeitsgruppensitzung am 7. Januar zumindest eine zentrale Detailauswertung vorzulegen. „Diese Berechnung zeigt, wie hoch der Regelsatz sein müsste, wenn wir von der bisher üblichen Referenzgruppe der 20 Prozent der geringsten Einkommen ausgehen. Von der Leyens willkürliche Absenkung auf 15 Prozent macht ihr Gesetz verfassungswidrig.“ Von der Leyen geht jedoch davon aus, dass diese erst Ende Januar vorliegt.
Der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, kritisierte, die Oppositionskritik an der Berechnungsmethode sei seit Monaten bekannt. „Also Grundlage genug, um die entsprechenden Erhebungen rechtzeitig zu veranlassen.“
FDP-Fraktionschefin Homburger sagte der dpa: „Die Opposition sollte aufhören, eine Einigung mit sachfremden Forderungen zu verzögern.“ CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich warnte vor einer teuren Einigung beim Bildungspaket. „Je mehr wir das Bildungspaket ausweiten, desto größer wird der Personalbedarf“, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“ (Freitag). Die Koalition rechnet derzeit bereits mit einer Personalstärke von bundesweit 1300 Mitarbeitern, die sich um das Bildungspaket kümmern sollen.
Für den Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, ist die Höhe des Regelsatzes nur ein Punkt bei dem Thema; den Fokus legt er eher auf die Verbesserung der Chancen der Betroffenen: „Mit mehr Umverteilung kann diesen Menschen nicht geholfen werden“, sagte er der dpa. „Wichtig ist, diese Risiken zu mindern - zum Beispiel durch Bildungsinvestitionen.“ Das Bildungspaket sei deshalb „ein richtiges Signal“.