Länder erwarten Millionenkosten für Sicherungsverwahrung
Berlin (dpa) - Neue Gebäude, mehr Therapeuten, mehr Bewacher: Die Länder rechnen mit Kosten in Millionenhöhe für die Reform der Sicherungsverwahrung, die das Bundesverfassungsgericht verlangt.
Karlsruhe hatte die bisherigen Regelungen für verfassungswidrig erklärt und bis 2013 ein neues Gesamtkonzept gefordert. Bis dahin können aber besonders gefährliche Täter eingesperrt bleiben. Trotzdem gab es am Donnerstag auch Schelte für den bahnbrechenden Richterspruch.
Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) kritisierte, das Verfassungsgericht habe bisher den Sicherheitsbedürfnissen der Bevölkerung Vorrang gegeben, „jetzt stärkt es das Freiheitsrecht des Täters“, sagte sie der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstag).
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte dem „Hamburger Abendblatt“ (Donnerstag), auf die Gerichte und Gutachter werde viel Arbeit zukommen. Sie müssten künftig in jedem Einzelfall noch einmal prüfen, ob ein Straftäter nur weiterhin gefährlich oder - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert - hochgefährlich und psychisch gestört sei. „Wie man diese Unterscheidung künftig ziehen soll, ist mir unklar“, sagte er.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sieht nun vor allem die Länder in der Pflicht. In den ARD-„Tagesthemen“ sagte sie: „Das heißt jetzt: neue Anstalten bauen, viel Geld investieren und vor allen Dingen Therapieangebote zu verbessern oder überhaupt erst einzuführen und auch Behandlung sehr frühzeitig zu ermöglichen, um eben immer die Perspektive der Freilassung zu haben.“
Die Karlsruher Richter hatten von einer „gemeinsamen Pflicht“ von Bund und Ländern gesprochen, die Sicherungsverwahrung zu reformieren. Der Bund muss die „wesentlichen Leitlinien“ vorgeben. Die Länder müssen dafür sorgen, dass die Sicherungsverwahrung sich deutlicher von der Strafhaft unterscheidet, und dann auch die Kosten tragen.
Allein Hessen geht von Mehrkosten von mehreren Millionen Euro für die geforderte Unterbringung aus. Bayerns Justizministerin Merk appellierte an die Bundesregierung, sich an den Kosten zu beteiligen. „Der Bund darf sich jetzt nicht darauf beschränken, die anstehende Arbeit am Schreibtisch zu erledigen. Hier sind Bund und Länder gemeinsam gefragt“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag). Bei der Justizministerkonferenz am 18./19. Mai in Halle/Saale soll das Thema beraten werden.
Erst im Januar war eine Reform der schwarz-gelben Koalition zur Sicherungsverwahrung in Kraft getreten. Damit wurde die Maßnahme auf schwere Delikte beschränkt. Kritiker werteten die Reform schon damals als halbherzig, da sie das grundsätzliche Problem, dass die Sicherungsverwahrung sich zu wenig von der Haft unterscheidet, nicht beseitigte. Dies war nun der Hauptkritikpunkt der Karlsruher Richter. Derzeit sitzen etwa 500 Männer und Frauen in Sicherungsverwahrung.
Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sagte der „Welt“ (Donnerstag), er fürchte, dass Dutzende Verbrecher freikommen und Entschädigungen erstreiten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte drei deutschen Sexualstraftätern im Januar zusammen 125 000 Euro Entschädigung von der Bundesrepublik zugesprochen.
Der Tübinger Strafrechtsprofessor Jörg Kinzig hält es aber für unwahrscheinlich, dass Täter in Sicherungsverwahrung auch einen innerstaatlichen Anspruch auf Entschädigung haben. Denn Karlsruhe halte die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung zwar für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Es habe sie aber dennoch in einer Übergangsfrist bis zum Mai 2013 für weiter anwendbar erklärt, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Als Voraussetzung für eine Entschädigung verlange das Gesetz, dass die Verurteilung revidiert werde. Dazu komme es bei den Sicherungsverwahrten aber nicht.