Streit Maghreb: Grüne mauern bei sicheren Herkunftsstaaten
Keine Mehrheit im Bundesrat zu erwarten / Streit schwelt weiter
Berlin. Der politische Streit über eine Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsländer um die Maghrebstaaten geht offenbar in eine neue Runde. Für das entsprechende Gesetz, das am heutigen Freitag im Bundesrat zur Abstimmung stehen sollte, ist wegen der grünen Blockadehaltung keine Mehrheit zu erwarten. Das verlautete gestern aus Länderkreisen. Offen blieb das weitere Verfahren. Ob der Vermittlungsschuss angerufen wird, oder ob es zu einer Vertagung der Vorlage kommt, dürfte erst heute unmittelbar vor Sitzungsbeginn geklärt werden.
Wieder einmal sollten die Grünen die Kastanien aus dem Feuer holen. Schon vor zwei Jahren hatte der grüne Regierungschef von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, den Zorn seiner Partei auf sich gezogen, als er in der Länderkammer einer Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten auf die Balkanländer Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zur Mehrheit verhalf.
Dadurch lassen sich Asylverfahren von Menschen aus diesen Ländern beschleunigen und Abschiebungen erleichtern. Im Jahr darauf ging es darum, Albanien, Kosovo und Montenegro als sicher einzustufen. Diesmal sprangen Kretschmann allerdings gleich mehrere Länder mit grüner Regierungsbeteiligung bei. Nun geht es um eine weitere Vorlage der Bundesregierung, nach der die drei Maghrebstaaten Algerien, Marokko und Tunesien den gleichen Status erhalten sollen.
Indizien dafür, dass sich die Grünen diesmal besonders schwer tun würden, gibt es praktisch schon seit Fertigstellung des Regierungsentwurfs vor einigen Monaten. Hintergrund sind massive Menschenrechtsverletzungen in den betreffenden Ländern wie zum Beispiel die Verfolgung von Homosexuellen und politisch Andersdenkenden.
Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg ist deshalb festgeschrieben, dass das Land die Neuregelung nur unterstützen werde, wenn dafür "die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen". Nach Darstellung der Grünen hat die Bundesregierung diesen Nachweis nicht erbracht. Gemutmaßt wird aber auch, dass die Union das Thema als Wahlkampfmunition gegen die Grünen nutzen wolle. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern wird im September neu gewählt.
In Unionskreisen der Länder heißt es dagegen, das Kanzleramt habe die Brisanz unterschätzt. Dem Vernehmen nach ist Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) tatsächlich erst in den letzten Tagen ernsthaft aktiv geworden, um die Grünen zu einer Zustimmung zu bewegen. Doch dort hatte man sich offenbar bereits auf Ablehnung verständigt.
Auch ein Last-Minute-Angebot der Bundesregierung, dem Gesetzentwurf eine Protokollnotiz beizüfungen, wonach die Asylanträge von Homosexuellen oder Bloggern aus dem Maghreb besonders sorgfältig geprüft würden, vermochte daran nichts zu ändern. "Wir brauchen keine Nachverhandlungen über die sicheren Herkunftsländer, wir brauchen einen neuen Vorschlag, wie man das Problem der Migration aus Nordafrika real in den Griff bekommt", meinte gestern Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.
Die Gefechtslage für die Bundesregierung ist auch deshalb komplizierter geworden, weil die Grünen seit den Wahlen vom 13. März in nunmehr zehn von 16 Bundesländern mit am Kabinettstisch sitzen. Für eine Mehrheit im Bundesrat bräuchte es daher nicht nur Baden-Württemberg, sondern mindestens zwei weitere große Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung. Der praktische Wert des Gesetzesvorhabens hält sich freilich ohnehin in Grenzen.
Von den knapp 310.000 Asylanträgen, die von Januar bis einschließlich Mai in Deutschland gestellt wurden, entfielen nur 3167 auf Personen aus den drei Maghrebstaaten. Auch die Anerkennungsquoten bei Tunesiern, Algeriern und Marokkanern lagen im gleichen Zeitraum lediglich zwischen 0,5 und 2,2 Prozent. Anderseits ist auch die Zahl der Abschiebungen gering, weil die Betroffenen nur schwerlich von ihren Heimatländern zurückgenommen werden.
Überdies haben mutmaßliche Täter aus Nordafrika bei den sexuellen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht eine große Rolle gespielt. Die Union sieht in der Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer daher auch eine Reaktion auf diese Vorkommnisse und ein "Signal" an Nordafrikaner, gar nicht erst nach Deutschland zu flüchten.
Nach aktuellem Stand könnte das Gesetz nun frühestens in der letzten Plenarsitzung der Länderkammer vor der Sommerpause am 8. Juli verabschiedet werden.