Höhere Sätze angekündigt Mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger? Vorstoß sorgt für Streit in der Ampelkoalition

Sollen Bezieherinnen und Bezieher von staatlicher Grundsicherung ab kommendem Jahr deutlich höhere Sätze bekommen - oder nur die turnusmäßige Erhöhung? In der Koalition gehen die Meinungen auseinander.

Deutliche mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger? Darüber gibt es Streit in der Koalition.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Die Ampelkoalition streitet über die künftige Höhe der staatlichen Grundsicherung für Bedürftige. Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) kündigte in einem Interview eine „deutliche Erhöhung der Regelsätze“ durch eine Änderung der Berechnungsmethode an. Auch die Grünen forderten ein „deutliches Plus“. Die FDP lehnt die Pläne hingegen ab. Sie forderte, Hartz-IV-Beziehenden stattdessen mehr Möglichkeiten zu eröffnen, neben der staatlichen Leistung selbst dazuzuverdienen.

„Statt eine Debatte über Berechnungsmethoden zu führen, sollte Bundesminister Heil sich beispielsweise für eine schnelle Erhöhung der Freibeträge bei den Hinzuverdienstregeln einsetzen“, sagte der Bürgergeld-Experte der FDP-Fraktion, Jens Teutrine, am Freitag in Berlin.

Bereits im Mai hatte Heil höhere Sätze in der Grundsicherung angekündigt. „Mein Vorschlag ist, dass wir etwa bei Familienhaushalten die unteren 30 statt der unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage nehmen“, hatte er damals gesagt. Bei der Berechnung der Sätze würde damit von mehr Bedarf ausgegangen - die Sätze würden steigen. „Damit können wir erreichen, dass die Regelsätze im Bürgergeld pro Person und Monat in etwa um 40 bis 50 Euro höher sein werden als in der Grundsicherung“, so Heil im Mai.

Die Koalition will mit dem geplanten neuen Bürgergeld das bisherige Hartz-IV-System entbürokratisieren, wie Heil nun im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) bekräftigte. Menschen in der Not sollten zudem verlässlich abgesichert sein. „Ich werde den Gesetzentwurf in diesem Sommer vorlegen, und es wird zu Beginn des nächsten Jahres eine deutliche Erhöhung der Regelsätze geben.“ Auch Menschen ohne Rücklagen müssten über die Runden kommen. „Ich bin fest entschlossen, die Art, wie wir den Regelsatz berechnen, zu verändern.“ Die Berechnung hinke der Preisentwicklung hinterher.

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte der dpa, die Hartz-IV-Sätze lägen heute weit unter dem Existenzminimum. Sie müssten neu berechnet werden. Aktuell beziehe sich die Berechnung auf den Zeitraum Juli 2020 bis Ende Juni 2021. „Damals gab es im Vergleich zu heute kaum Inflation.“ Die bisherige Berechnung führe zu „Armut per Gesetz“.

Der bei der FDP für das geplante Bürgergeld zuständige Abgeordnete Teutrine sagte dagegen, die Sätze würden auch bisher an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst. Er erinnerte an die nächste turnusgemäße Erhöhung zum 1. Januar. „Allein die Inflation wird also ohnehin und völlig zurecht zu einer Erhöhung führen.“ Teutrine sagte weiter: „Hubertus Heil sollte die Sommerpause nicht für Debatten über Berechnungsmethoden der Regelsätze nutzen, sondern in Zeiten von Arbeits- und Fachkräftemangel die Ziele der Bürgergeldreform nicht aus den Augen verlieren.“ Diese seien unter anderem besseren Möglichkeiten zur Qualifizierung - und mehr Erwerbsanreize durch Hinzuverdienstregelungen.

Der FDP-Sozialexperte Pascal Kober sagte, im Koalitionsvertrag sei eine Veränderung der Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze nicht vorgesehen.

Unterstützung für den Sozialminister kam von Gewerkschaften und Sozialverbänden. „Der Vorschlag von Hubertus Heil ist richtig, weil er die Herleitung der Regelsätze strukturell und auf Dauer verbessern will“, sagte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi der Deutschen Presse-Agentur. Eine dauerhafte Erhöhung sei besser als Einmalzahlungen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte, die Leistungen deutlich auf mindestens 678 Euro anzuheben, so dass sie armutsfest werde. Der Sozialverband Deutschland forderte, dass bei der Berechnung der Regelsätze „auf willkürliche, sachlich nicht begründbare Abschläge und normative Streichungen verzichtet“ werde.

Insgesamt setzte Heil in der Debatte über weitere Entlastungen wegen der hohen Inflation darauf, nur Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu unterstützen. „Weil die staatlichen Möglichkeiten nicht unendlich sind, geht es um gezielte Entlastungen“, sagte der SPD-Politiker dem RND.

(dpa)