Anstieg um mehr als 80 Prozent Mehr Verdachtsfälle auf sexuelle Belästigung bei Bundeswehr

Berlin. In der Bundeswehr sind im vergangenen Jahr deutlich mehr Verdachtsfälle von sexueller Belästigung gemeldet worden. Insgesamt wurden 234 gemeldet, wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Samstag sagte.

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„Die Bandbreite der Verdachtsfälle ist extrem hoch, vom Zuwerfen eines Kusses bis zur erfolgten Vergewaltigung.“ Zuvor hatten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe darüber berichtet. Unter den gemeldeten Fällen waren demnach 14 versuchte oder vollendete Vergewaltigungen, fast dreimal so viele wie 2016. Damals waren es 5.

Die Funke-Mediengruppe berichtete von einem Anstieg der Fälle insgesamt um mehr als 80 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Ministeriumssprecher sagte, die Zahlen enthielten auch Doppelmeldungen, wenn Betroffene der Meinung gewesen seien, dass ihr bereits vorgebrachtes Anliegen nicht zufriedenstellend behandelt worden sei. Bei der Bundeswehr habe die „spezielle Situation“ des vergangenen Jahres zu einer verstärkten Sensibilität geführt, dass bestimmtes Verhalten inakzeptabel und zu melden sei.

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels, führt die gestiegene Zahl von Verdachtsfällen vor allem auf ein verändertes Meldeverhalten zurück. „Die Sensibilität ist gestiegen“, sagte Bartels am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Er sehe keine Anzeichen dafür, dass das bekannte Problem sexueller Belästigung in der Bundeswehr generell größer geworden sei. „Allerdings werden jetzt vielleicht auch ernste Vorfälle gemeldet, die früher unter den Teppich gekehrt worden wären.“ In den Zahlen enthalten seien auch Fälle, die außerhalb der Bundeswehr spielten, wo aber Soldaten im Zivilleben betroffen seien.

Erst im November hatte ein Fall in Schleswig-Holstein für Aufsehen gesorgt. Auf dem Truppenübungsplatz Todendorf soll ein 29-jähriger Unteroffizier nach einem Trinkgelage zwei Soldatinnen sexuell missbraucht haben. Nach Informationen der Funke-Zeitungen will die Staatsanwaltschaft Kiel voraussichtlich im Februar ihre Ermittlungen dazu abschließen.

Die Bundeswehr gerät immer wieder in die Schlagzeilen. Im Zuge der öffentlichen Diskussion um mehrere Skandale hatte auch zuvor schon die Zahl der internen Beschwerden über sexuelle Belästigung zugenommen, wie auch über rechtsextreme Auswüchse und Fehlverhalten von Vorgesetzten.

Der Militärgeheimdienst MAD prüft so viele Fälle von Rechtsextremismus in der Truppe wie seit Jahren nicht mehr. 2017 seien 400 neue Verdachtsfälle hinzugekommen, teilte die Behörde der dpa mit. In den Jahren seit Aussetzung der Wehrpflicht 2011 waren es im Schnitt 300 pro Jahr. dpa