Merkels Botschaft vor Nato-Gipfel: Abschreckung und Dialog

Berlin/Warschau (dpa) - Kurz vor dem Nato-Gipfel in Warschau hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Pläne zur Aufrüstung des Bündnisses verteidigt. Es reiche nicht aus, Soldaten in Krisensituationen schnell verlegen zu können, sagte Merkel.

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Das Bündnis müsse stärker Präsenz im Baltikum und in Polen zeigen, so Merkel bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte dagegen ein Ende der Aufrüstung gegen Russland.

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Die Nato will bei ihrem anstehenden Treffen in Warschau die Stationierung von jeweils einem Bataillon mit etwa 1000 Soldaten in Lettland, Estland, Litauen und Polen beschließen. Die Bundeswehr soll das Bataillon in Litauen mit mehreren hundert Soldaten anführen.

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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, es gelte angesichts neuer Bedrohungen im Osten und im Süden des Bündnisses Präsenz und Entschlossenheit zu zeigen. „Die Botschaft ist klar: Wer ein Mitglied angreift, greift die Allianz an“, erklärte er am Nachmittag nach einem Treffen mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda.

Das Verhältnis zwischen der Atommacht Russland und der Nato ist seit Jahren zerrüttet, vor allem wegen der Ukraine-Krise. Die Regierung in Moskau sieht besonders Pläne der USA für einen Raketenschild in Osteuropa als Sicherheitsbedrohung. Die Nato kritisiert indes Truppenkonzentrationen im Westen Russlands.

Gabriel sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Wir müssen uns fragen, ob die Welt wirklich besser wird, wenn beide Seiten Militärmanöver an der Grenze abhalten, aufrüsten und einander drohen.“ Statt zusammen aufzurüsten, müsse Europa eine neue Abrüstungsinitiative starten.

Merkel verteidigte das Prinzip der Abschreckung. „Das ist ein zutiefst defensives Konzept“, sagte sie. Die Kanzlerin machte Russland für einen Vertrauensverlust durch den Ukraine-Konflikt verantwortlich. Das Grundprinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen sei „durch Worte und Taten in Frage gestellt worden“, sagte die CDU-Chefin. Das russische Vorgehen habe die Nato-Mitglieder im Osten „zutiefst verstört“. „Sie bedürfen daher der eindeutigen Rückversicherung durch die Allianz.“ Zugleich erklärte sie, Abschreckung und Dialog seien keine Gegensätze, sondern gehörten untrennbar zusammen. „Wir sind uns (...) einig, dass dauerhafte Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland zu erreichen ist.“

Merkel warb für eine Fortsetzung der Gespräche zwischen beiden Seiten. Sie kritisierte aber, dass Moskau ein Treffen des Nato-Russland-Rats vor dem Gipfel abgelehnt habe. Dort hätte man möglichen Missinterpretationen entgegen wirken können. Das Treffen ist nun für kommenden Mittwoch geplant.

Noch vor rund sechs Jahren hatte die Nato Russland angeboten, bei dem Raketenabwehrsystem zusammenzuarbeiten. Merkel betonte, dass die Tür bei diesem Thema offen bleibe und das System nicht gegen Russland gerichtet sei.

Der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko warf der Nato vor, „eine konfrontative Agenda“ zu betreiben. Jeder müsse verstehen, dass Russland auf die Verlegung zusätzlicher Truppen nur militärisch antworten könne, sagte er der Zeitung „Kommersant“. „Wir sehen die Nato derzeit nicht als Partner bei der Lösung von Problemen“, sagte Gruschko. „Wir sind bereit zum Dialog mit einzelnen Nato-Staaten.“ Damit bezog er sich auf Wege, gefährliche Begegnungen russischer und westlicher Kampfjets und Kriegsschiffe zu vermeiden.

Vor allem Polen und die baltischen Staaten fühlen sich von dem russischen Vorgehen in der Ukraine stark bedroht und erhoffen sich vom Nato-Gipfel ein starkes Signal der Abschreckung. Der polnische Präsident Duda erklärte, er erwarte einen „Durchbruch“ für die Sicherheitsarchitektur Polens und anderer Staaten der Region. „Bisher war Polen in der Nato, jetzt kommt die Nato nach Polen.“

Bei dem Gipfel in Warschau werden neben den Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedsstaaten auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, sein afghanischer Amtskollege Aschraf Ghani sowie weitere Vertreter anderer Länder erwartet. Laut polnischem Innenministerium sind während des Treffens rund 10 000 Sicherheitsbeamte im Einsatz, darunter 7000 Polizisten.