Meinung Merkels Rückzug ist Laschets Gelegenheit
Meinung · Wer immer das Feld der Kandidaten auf die Merkel-Nachfolge im CDU-Vorsitz schon bestellt sieht, er könnte noch überrascht werden. Dann, wenn der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet ebenfalls seinen Hut in den Ring werfen würde. Dafür gibt es gute Argumente.
Laschet, der von der Entscheidung Merkels nach eigener Aussage überrascht worden ist, hat aus dem gefühlten Nachteil des Zögerlichen im Haifischbecken das Beste gemacht: Während die Kandidaturen am Montag aus dem Boden schossen und alsbald den Eindruck vermittelten, als stünde da mancher gehörig unter Druck, gab Laschet in Düsseldorf fern von Aktionismus den über den Dingen stehenden Sachpolitiker, dessen größte Fähigkeit jetzt wichtig werden könnte: Die Partei mit Moderation zu vereinen, Flügelbildung und offene Konfrontation zu verhindern.
Diese Aufgabe mag Annegret Kramp-Karrenbauer zugedacht sein. Ob die Saarländerin innerparteilich aber die starke Figur bleiben wird, wenn Förderin Merkel nicht mehr da ist, ist fraglich. Zudem drohen sich die Kandidaturen von Friedrich Merz und Jens Spahn gegenseitig zu kannibalisieren: Die Anhänger der beiden dürften weitgehend identisch sein. Zieht keiner zurück und stärkt nicht den jeweils anderen, kann der Weg schneller frei sein für die Kandidaten vom anderen Flügel, als den beiden lieb ist.
Auch in diesem Wissen ist es nicht unklug, sich zuerst seiner Truppen zu versichern und die emotional-politische Großwetterlage in der Partei zu studieren. Oft sind die ersten Kandidaten zuerst verbrannt. Klar ist aber auch: Zieht Laschet jetzt nicht in den Ring, hat er seine Ambitionen in Richtung Berlin aufgegeben. Unter den Parteivorsitzenden Merz oder Spahn würde er keine bundespolitische Rolle mehr spielen. Und: Unterstützte Laschet seine zweite Option Kramp-Karrenbauer öffentlich, müsste er sich wohl gegen seinen eigenen NRW-Landesverband wenden.