Meinung Erdogans Machtpoker im Fall Khashoggi

Meinung · Der türkische Präsident Erdogan ist ein Meister im Polit-Poker. Das hat er schon während der fortdauernden Auseinandersetzung mit der Bundesregierung über in der Türkei inhaftierte Deutsche und bei den umstrittenen Wahlkampfauftritten seiner Regierungsmitglieder hierzulande bewiesen.

Drei Wochen nach dem mutmaßlichen Mord am saudischen Journalisten Khashoggi gibt der türkische Staatspräsident an diesem Dienstag eine ausführliche Erklärung zu der Gewalttat ab.

Foto: dpa/Ali Unal

Im Fall des ermordeten Journalisten Khashoggi zeigt Erdogan erneut, wie sehr er Politik auch als eiskaltes Spiel versteht.

Es ist die Eine-Million-Dollar-Frage: Hat Erdogan noch weitere Beweise im Köcher, die klar aufzeigen, was genau mit Khashoggi im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul passiert ist? Belege also, die die ohnehin abstrus anmutende Erklärung der Saudis, Khashoggi sei sozusagen aus Versehen bei einem Kampf ums Leben gekommen, eindeutig widerlegen? Oder hat er sie nicht? Seine groß angekündigte Erklärung am Dienstag beinhaltete jedenfalls nichts über das hinausgehend, was schon seit Tagen bekannt ist oder gemutmaßt wird. Dass eine solche Tat von langer Hand geplant gewesen sei, wie Erdogan mitteilte, durfte man auch vorher schon annehmen.

Ein Kommentar von Hagen Strauß.

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Erdogan will den Druck auf Riad möglichst lange aufrechterhalten. Darum geht es dem Präsidenten. Deswegen spielt er das Spiel weiter und legt nichts Konkretes auf den Tisch. Er, der bekanntlich nicht gerade zimperlich im Umgang mit Journalisten im eigenen Land ist, nutzt die Gunst der Stunde, um sich auch international als Aufklärer in diesem weltweit beachteten Fall zu produzieren. Das wiederum soll ihm neues Prestige bringen und helfen, das schlechte Verhältnis zum Westen, insbesondere zu den USA, wieder etwas zu verbessern.

Gleichzeitig steht die Türkei in regionalem Wettbewerb zu Saudi-Arabien, wenn es um Einfluss und Macht geht. Die Beziehungen zwischen Ankara und Riad sind seit Langem sehr gestört. So stellte sich Erdogan im Konflikt zwischen den Saudis und Katar auf die Seite Katars, in Syrien paktiert er mit dem Iran, dem Erzfeind der Saudis. Und dann ist die Türkei auch noch Rückzugsort für die Muslimbruderschaft, die von Saudi-Arabien als Terrororganisation eingestuft wird und denen der ermordete Journalist Khashoggi nahegestanden haben soll.

Wegen alledem kommt Erdogan der Fall somit äußerst gelegen. Er pokert genauso wie US-Präsident Donald Trump, der mal harsch Aufklärung fordert und mal aus Eigennutz vor den wirtschaftlichen Folgen einer Isolation Saudi-Arabiens warnt.

Im Fall Khashoggi geht es also nicht nur um Aufklärung, sondern auch um handfeste nationale Interessen der Akteure in einem internationalen Machtpoker. Mittendrin steckt auch die Bundesregierung, die in Worten gegenüber Riad endlich klarer geworden ist. Sie pokert freilich nicht weniger als andere. Ebenfalls aus ökonomischen Motiven.