Nach Mitgliederentscheid der SPD Von Weitermachen bis Neuwahl: Szenarien für die Zukunft der Groko

Berlin · Die Überlebenschancen der GroKo sind mit dem Mitgliederentscheid der SPD drastisch gesunken. Wie geht es weiter mit der Bundesregierung? Ein Überblick über denkbare Szenarien.

Wie geht es nach dem SPD-Mitgliederentscheid für die Groko weiter?

Foto: dpa/Seeger;Stratenschulte

Fans der großen Koalition sind die künftigen SPD-Chefs wahrlich nicht - doch sie wollen auch keinen überstürzten Ausstieg aus dem Regierungsbündnis, das haben Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken immer wieder betont. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass es mit Schwarz-Rot vorzeitig zu Ende geht. Einige Szenarien dazu, wie Deutschland künftig regiert werden könnte:

Was passiert auf dem SPD-Parteitag?

Esken und Walter-Borjans wollen auf dem Parteitag am kommenden Wochenende inhaltliche Forderungen vorlegen, mit denen sie dann in Verhandlungen mit CDU und CSU gehen wollen. Die Delegierten sollten entscheiden, „was jetzt so dringend umgesetzt wird, dass wir daran auch die Koalitionsfrage stellen“, sagte Walter-Borjans noch am Samstagabend. Es könnte um Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und staatliche Investitionen in Straßen, Schulen und die Bahn gehen.

Wie geht es dann weiter?

Das kommt auf die Forderungen der SPD an. Sind sie moderat, dürften sich die Spitzen von CDU und CSU Beratungen nicht völlig verschließen. Zwar will CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer den Koalitionsvertrag nicht antasten - andere aber, wie der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Carsten Linnemann (CDU), sind durchaus offen für ein Update. Eine Hintertür enthält der Vertrag selbst: Zur Mitte der Legislaturperiode werde man entscheiden, ob „aufgrund aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen“, steht darin. Einigt man sich auf solche Vorhaben, könnte Schwarz-Rot weiterregieren.

Gehen die Forderungen der SPD allerdings weiter, etwa mit einer Grundsicherung für Kinder oder anderen sozialen Wohltaten, dürfte es aus weiten Teilen der Unionsspitze und -fraktion ein klares Nein geben. Dann erwägen Walter-Borjans und Esken, das Bündnis platzen zu lassen. Inzwischen formulieren sie allerdings vorsichtig: Eine konkrete Drohung mit einem Koalitionsbruch vermieden sie zuletzt.

Was passiert, wenn die SPD den Schlussstrich zieht?

Die sozialdemokratischen Minister würden sich dann aus der Regierung mit der Union zurückziehen. Es gäbe Gespräche mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die Väter des Grundgesetzes haben aus Sorge um die Stabilität Hürden vor Neuwahlen gesetzt - mehrere Szenarien sind denkbar.

Kann es eine neue Koalition ohne Neuwahlen geben?

Ja. Steinmeier dürfte bei einem Rückzug der SPD-Minister alle Parteien bis auf die AfD zu Gesprächen über eine neue Regierungskoalition bitten. Möglich wäre ein zweiter Jamaika-Versuch, also für ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP. Die Liberalen haben bereits klar gemacht, sie stünden „für die Übernahme von Verantwortung bereit, sofern inhaltliche Kernforderungen umgesetzt werden können“. Die Grünen allerdings dürften sich schwer tun - sie können sich angesichts stark gestiegener Umfragewerte Hoffnung auf mehr als nur eine Juniorpartnerschaft machen.

Was wäre die Alternative?

Wenn schnell klar ist, dass die große Koalition platzt, könnte schon im Frühjahr, etwa im März, neu gewählt werden. Am einfachsten ist eine Neuwahl herbeizuführen, wenn Merkel die Vertrauensfrage stellt und damit absichtlich scheitert. Sollte die Union die Wahl gewinnen, würden CDU und CSU wohl anstreben, bis zur Sommerpause 2020 eine neue Regierung zu bilden. Das ist ihnen wichtig, denn Deutschland übernimmt im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft. Eigentlich, so ist in der Union vielfach zu hören, hat sich Merkel fest vorgenommen, die Ratspräsidentschaft selbst zu einem guten Ergebnis zu führen. Das könnte sie dann nicht, denn die Kanzlerin will bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr antreten.

Kann Merkel auch ohne Koalitionspartner weiter regieren?

Ja. Sie könnte die offenen Kabinettsposten nach dem Rückzug der SPD-Minister auch mit Unions-Politikern oder Experten besetzen. Da der Bundeshaushalt für das kommende Jahr gerade beschlossen wurde, wäre eine solche Minderheitsregierung etwa ein Jahr lang handlungsfähig. Nach verbreiteter Einschätzung in der Union würde man sie aber trotzdem nur für wenige Monate anstreben.

Theoretisch, wenn auch als unwahrscheinlich eingeschätzt, wäre es auch möglich, dass Merkel die Regierungsgeschäfte bis nach der Ratspräsidentschaft in der Minderheitsregierung weiterführt. Das käme vor allem in Frage, wenn die Koalition erst im Laufe des Frühjahrs brechen sollte und Neuwahlen vor dem Sommer nicht mehr möglich wären. Dann könnte die nächste Bundestagswahl 2021 stattfinden - allerdings womöglich schon Anfang des Jahres statt wie geplant im Herbst.

(dpa)