Nach Terror-Festnahmen keine Entwarnung

Karlsruhe (dpa) - Die Anweisung kam von einem hohen Al-Kaida-Mitglied: Ein 29-jähriger Marokkaner sollte mit seinen Komplizen einen Bombenanschlag in Deutschland verüben. Die Ermittler vermuten ein Netzwerk hinter den drei Festgenommenen.

Die Gefahr von Anschlägen sei weiterhin hoch.

Die drei in Nordrhein-Westfalen verhafteten mutmaßlichen Al-Kaida-Terroristen planten, einen mit Metallteilen versetzten Sprengsatz in einer Menschenmenge zu zünden. Die Ermittler vermuten ein Netzwerk hinter den Festgenommenen - von sieben bis acht Personen sprach am Samstag der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke. „Aber es können auch mehr sein.“

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen arbeiten die Ermittler nun daran, diese Kontakte auszuleuchten - auch wenn bislang nur gegen die drei Festgenommenen förmliche Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Gegen die drei Männer, die am Freitag in Düsseldorf und Bochum festgenommen worden waren, erging am Samstag Haftbefehl.

Ein genaues Anschlagziel hatten sie den Ermittlungen zufolge noch nicht im Auge. Die Verdächtigen seien „noch in der Experimentierphase“ gewesen, sagte der stellvertretende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum in Karlsruhe. Eine Gefahr für die Bevölkerung habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Ziercke betonte allerdings, es gebe keine Entwarnung: „Wir müssen in Deutschland weiterhin mit Anschlägen islamistischer Terroristen rechnen.“

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) warnte, die Terrorgefahr in Deutschland sei nach wie vor hoch. Er verlangte erneut die Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze, die Anfang kommenden Jahres auslaufen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnte eine Verschärfung von Sicherheitsgesetzen ab. „Die Vorfälle in Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, wie handlungsfähig unser Staat und unsere staatlichen Institutionen sind.“

Die Koalition streitet derzeit über eine Verlängerung der bis Anfang 2012 befristeten Anti-Terror-Gesetze, die dem Verfassungsschutz und den Nachrichtendiensten besondere Auskunftsrechte einräumen, zum Beispiel über Bankdaten oder Flugpassagiere. In FDP-Kreisen wird darauf hingewiesen, dass diese Regelungen nichts mit den 2009 geschaffenen Kompetenzen des Bundeskriminalamt zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus zu tun haben.

Die Behörden hatten sich kurzfristig zum Zugriff entschlossen, nachdem die drei in abgehörten Gesprächen den Bombenanschlag in Marrakesch „freudig begrüßt“ hatten. Bei dem Attentat am Donnerstag waren 16 Menschen getötet worden. „Marrakesch hätte ein stimulierendes Ereignis sein können“, sagte Ziercke. Auch deshalb hätten die Fahnder rasch gehandelt, obwohl die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren.

Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft betonte am Sonntag, dass bislang nur gegen die drei Festgenommenen förmliche Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Wie es aus Ermittlerkreisen heißt, wird derzeit abgeklärt, mit wem die drei in Kontakt standen. Die Fahnder vermuten ein Netzwerk aus mindestens sieben bis acht Personen. Es sei aber noch offen, inwieweit diese in die Anschlagsvorbereitungen einbezogen seien.

Ein halbes Jahr lang hatten die Ermittler des Bundeskriminalamts die mutmaßlichen Religionskrieger beobachtet. Zentrale Figur ist ein 29 Jahre alter Marokkaner. Der ehemalige Maschinenbau-Student der Universität Bochum soll Anfang 2010 in ein Ausbildungslager von Al-Kaida im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet gereist sein. Dort habe er von einem hochrangigen Mitglied des Terrornetzwerks den Auftrag erhalten, in Deutschland einen Sprengstoffanschlag zu verüben.

Seine beiden Komplizen, ein 31 Jahre alter Deutsch-Marokkaner und ein 19-Jähriger mit deutscher und iranischer Staatsangehörigkeit, sollen ihn bei der Umsetzung der Pläne unterstützt haben. Der 31-Jährige sei in Düsseldorf in einem „sehr westlich geprägten Umfeld“ aufgewachsen, sagte BKA-Chef Ziercke. Er habe zuletzt als Elektriker gearbeitet. Der 19-Jährige besuchte ein Gymnasium und stand kurz vor dem Abitur.

Ein mögliches Ziel für einen Anschlag hätten Veranstaltungen im Großraum Düsseldorf sein können. Nach den abgehörten Gesprächen in einer Düsseldorfer Wohnung hatten die Beschuldigten aber auch darüber nachgedacht, den Sprengsatz „an einer Bushaltestelle oder in einem Bus“ zu zünden.

Die technischen Vorbereitungen zum Bombenbau waren allerdings noch nicht abgeschlossen. Wie Ziercke berichtete, suchten die Beschuldigten im Internet nach elektronischen Bauteilen und nach sogenannten Bombenkochbüchern, also Anleitungen zum Bau von Sprengsätzen. Außerdem versuchten sie, Wasserstoffperoxid, Aceton und weitere Materialien zu beschaffen.

Zuletzt versuchten zwei der Männer, aus Grillanzündern Hexamin zu gewinnen, um damit einen Zünder für die Bombe herzustellen. Fertiger Sprengstoff wurde nicht sichergestellt, wohl aber ein Behältnis, in dem möglicherweise Sprengstoff aufbewahrt wurde. Insgesamt durchsuchten die Ermittler sechs Wohnungen.

Die Ermittlungen gehen auf Hinweise zurück, die im vergangenen Herbst zur „Terrorwarnung“ des Bundesinnenministers führten. Hierbei nutzte das Bundeskriminalamt seine 2009 neu geschaffenen Kompetenzen zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus - unter anderem Online-Durchsuchungen und die Überwachung von Wohnräumen.