Neun Ermittlungsverfahren in Visa-Affäre

Berlin (dpa) - Die deutsche Botschaft in Kairo steht im Zentrum der neuen Visa-Affäre. In der ägyptischen Hauptstadt habe es im Jahr 2007 Unregelmäßigkeiten bei mehreren hundert Visa-Anträgen gegeben, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Bei anderen Botschaften und Konsulaten in Afrika, dem Mittleren Osten, Zentralasien und dem westlichen Balkan seien lediglich einige wenige Einzelfälle aufgedeckt worden. Verwickelt waren den Angaben zufolge keine deutsche Diplomaten, sondern ausschließlich „Ortskräfte“, die umgehend entlassen wurden.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kündigte an, einen Missbrauch bei der Ausstellung von Visa an Botschaften oder Konsulaten entschlossen zu bekämpfen. „Ein Missbrauch im Visa- Verfahren wird nicht geduldet“, erklärte er. Der damalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) war 2005 wegen des massenhaften Visa-Missbrauchs in der Ukraine massiv in Bedrängnis geraten. Zuvor hatte das Auswärtige Amt unter seiner Führung die Visa-Praxis geändert und die Vergabe von Einreisegenehmigungen erleichtert.

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes wurden nach Aufdeckung der neuen Fälle insgesamt neun Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Mitarbeiter der Auslandsvertretungen stehen in dem Verdacht, unrechtmäßig Visa erteilt und dafür Bestechungsgeld kassiert zu haben. Zu den mehreren Dutzend Verdächtigen gehören nach Angaben der Berliner Staatsanwaltschaft nicht nur Ortskräfte, sondern auch mutmaßliche Schleuser. Berichte, wonach es auch in deutschen Botschaften in Südamerika Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll, wies das Auswärtige Amt zurück.

Die Affäre gibt auch der Forderung nach einer Visa-Warndatei neue Nahrung. In der Union werden die Rufe nach einer solchen Datei wieder lauter, während sich die FDP weiterhin zurückhaltend zeigt. Das CDU- geführte Innenministerium und das FDP-geführte Justizministerium bestätigten am Montag, dass es zwischen den Häusern noch unterschiedliche Auffassungen über Umfang und Zugriffsmöglichkeiten gebe.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will der Einrichtung einer solchen Datei nur in engen Grenzen zustimmen. Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Serkan Tören warnte, eine zu umfangreiche Datenspeicherung bringe kein Mehr an Sicherheit, habe aber negative Auswirkungen auf den Reiseverkehr. Der CDU- Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte dagegen dem „Kölner Stadt- Anzeiger“ (Montag): „Eine Visa-Warndatei ist ein wichtiges Hilfsmittel, um Missbrauch zu erkennen.“ Es gebe einen engen Zusammenhang zwischen organisiertem Visa-Missbrauch und organisierter Kriminalität.

Die Pläne für eine Visa-Warndatei gehen auf den Untersuchungsausschuss des Bundestags zurück, der 2005 wegen Visa-Missbrauchs in der Ukraine ermittelt hatte.