NSU-Prozess: Carsten S. entlastet Beate Zschäpe

Der Angeklagte gibt in München einen Hinweis auf einen möglichen weiteren Anschlag der Neonazi-Terroristen.

München. Langsam kämpft sich Carsten S. im Münchner NSU-Prozess zum entscheidenden Teil seiner Aussage vor, immer wieder stockend, manchmal unter Tränen. „Ich hab’ Angst davor, dass meine Mutter einen Nervenzusammenbruch bekommt. Ich wollte ihr den Sohn nicht nehmen, auf den sie stolz war“, sagte der Angeklagte am Dienstag vor dem Oberlandesgericht München. Lange schon hat sich der 33-Jährige aus der Neonazi-Szene gelöst, hat Sozialpädagogik studiert, bei der Aids-Hilfe in Düsseldorf gearbeitet.

Er habe versucht, es nochmals „hochzuholen“, sagte der 33-Jährige, der wegen Beihilfe zum Mord angeklagt ist. Wie es genau war mit der Waffe, die er Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt brachte — und bei der es sich nach aller Wahrscheinlichkeit um jene „Ceska“-Pistole handelte, mit der die NSU-Terroristen neun Menschen töteten.

Böhnhardt und Mundlos hätten ihn vom Bahnhof abgeholt, in Chemnitz Anfang 2000. Böhnhardt habe sein Mobiltelefon in die Hand genommen und einen Fingerabdruck auf das Display gemacht, erzählt S. „Was denkste, was der wert ist?“, habe Böhnhardt gefragt. Weil sie ja gesucht wurden. Dann habe er an seinen Rucksack getippt. „Wir sind auch immer bewaffnet“, so etwas habe Böhnhardt gesagt. „Fand ich komisch“, sagt Carsten S. „Bis dahin war ich nicht davon ausgegangen, dass die Waffen hatten.“

Wieder kommt Carsten S. ins Stocken, fängt an zu weinen. „Dann haben die gesagt, dass die irgendwo in Nürnberg in einem Laden eine Taschenlampe hingestellt haben. Und ich wusste nicht, was die meinen.“ Dann sei Beate Zschäpe dazugekommen. „Sie sagten ,psst’, damit Frau Zschäpe das nicht mitbekommt.“

Eine rätselhafte Andeutung — und es gibt einen Anschlag, der dazu passen könnte: Im Juni 1999 wurde bei der Explosion einer Rohrbombe in einer Nürnberger Gaststätte ein 18-jähriger Putzmann verletzt. Wie die Zeitschrift „Stern“ unter Berufung auf die „Nürnberger Nachrichten“ berichtet, habe die Bombe wie eine „Taschenlampe“ ausgesehen.

Das Opfer erlitt Verbrennungen am Oberkörper, im Gesicht und an den Armen. Hinweise auf einen ausländerfeindlichen Hintergrund habe es nicht gegeben. „Es gab wahrscheinlich früher einen versuchten Anschlag“, vermutet Carsten S. Für Beate Zschäpe könnte seine Aussage entlastend sein — warum sollte sie nicht mitbekommen, was Böhnhardt erzählte? Oder wusste sie alles — und sollte nicht merken, wie unvorsichtig ihr Komplize plauderte?

Von der Anklagebank verfolgt Ralf W. aufmerksam die Aussage seines ehemaligen Kameraden. Es kann dem ehemaligen NPD-Funktionär nicht gefallen, was er hört. Nachdem Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe untergetaucht waren, hatte er Carsten S. zu seinem Verbindungsmann gemacht.

W. habe ihm auch gesagt, wo er die Waffe besorgen solle, und ihm das Geld für die Pistole gegeben, erzählt Carsten S. In seinem Arbeitszimmer habe Wohlleben den Schalldämpfer auf die Waffe geschraubt. „Er hat die auf mich gerichtet und gelacht. Ich hab’ einen Schreck bekommen und gedacht: Damit zielt man nicht auf Menschen.“

Einmal habe W. erzählt, die drei hätten jemanden angeschossen. Er habe gedacht: „Hoffentlich nicht mit der Waffe“, erzählt Carsten S. Auf welche Tat sich die Bemerkung von W. bezog, lässt sich nicht zuordnen. Klar ist: Wenn Carsten S. die Wahrheit sagt, so hatte Ralf W. durchaus eine Ahnung, was seine Freunde im Untergrund anstellten.