Rösler kommt voran: Neuwahl der FDP-Fraktionsspitze
Berlin (dpa) - Die FDP will noch vor ihrem Parteitag mit einer Neuwahl der Fraktionsspitze auf ihre dramatische Krise reagieren. Die Abgeordneten beschlossen auf einer Klausur, die eigentlich erst im Herbst anstehende Wahl des Fraktionsvorstands auf diesen Dienstag vorzuziehen.
Auf dieses Verfahren hatte sich der designierte neue Parteivorsitzende Philipp Rösler mit der intern heftig kritisierten Fraktionschefin Birgit Homburger verständigt. Zuvor hatte Homburger eine herbe Schlappe erlitten: Ihren Vorsitz in Baden-Württemberg konnte sie auf einem Landesparteitag am Samstag nur knapp behaupten.
Bei der Abstimmung über die Fraktionsneuwahl gab es am Sonntagabend lediglich vier Enthaltungen, wie Teilnehmer berichteten. Offen war, ob die 46-jährige Homburger erneut für den Vorsitz antritt. Eine Kampfkandidatur wurde nicht ausgeschlossen. Als mögliche Kandidaten werden unter anderen der nordrhein-westfälische FDP-Chef Daniel Bahr und Fraktionsgeschäftsführer Otto Fricke gehandelt. Potenzielle Kandidaten wurden in der knapp fünfstündigen Aussprache aufgefordert, sich spätestens am Montag aus der Deckung zu wagen. Ihre Gegner drängen sie seit Wochen zum Rückzug und kritisieren ihren Führungsstil.
Sie selbst forderte in der Klausur ein rasches Ende der Personaldebatten und wieder mehr inhaltliche Arbeit. Die Abgeordneten hätten die Neuwahl auf ihren Vorschlag hin beschlossen. „Die Fraktion leistet damit ihren Beitrag, dass mit dem Parteitag die Personaldebatten in der FDP abgeschlossen sind.“ Der Wirtschaftspolitiker Martin Lindner bescheinigte Homburger, in die Offensive gegangen zu sein, und sagte: „Sie ist eine mutige Frau.“
Für Rösler könnte die Neuwahl in der Fraktion ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zu seinem künftigen FDP-Führungsteam sein. Er will am Donnerstag, dem Vorabend des Rostocker Parteitags, sein Personaltableau fertig haben. „Die FDP hat nur einen Schuss frei, und der muss sitzen“, sagte der Gesundheitsminister dem „Focus“.
Laut einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ trauen derzeit 80 Prozent der Deutschen Rösler aber nicht zu, die Liberalen aus dem Tief zu holen. 54 Prozent meinen sogar, dass die FDP 2013 nicht wieder in den Bundestag kommt.
Noch ungelöst ist der Konflikt des Rösler-Lagers mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, der als Parteivize nicht weichen will. „Ich bin für FDP pur - ohne Zusatzstoffe“, sagte der 65-Jährige der dpa. Ein Bericht der „Bild“-Zeitung, er könne statt Homburger die Fraktion führen, wurde als abwegig zurückgewiesen.
Rösler sicherte Brüderle eine Führungsrolle zu - unabhängig davon, ob dieser in der engen Parteiführung bleibt. „Rainer Brüderle wird in jedem Fall Teil des Teams sein“, sagte Rösler. Vom Abgang seines Vorgängers Westerwelles auch als Außenminister hält Rösler nichts: „Guido Westerwelle ist ein guter Außenminister, und das wird er auch bleiben.“
Westerwelle wurde auf einem Parteitag seiner nordrhein- westfälischen FDP mit Rücktrittsforderungen, Austrittsdrohungen und einem Beifallstreik konfrontiert. Westerwelle sagte in Duisburg: „Ich entschuldige mich für jeden Fehler, den ich gemacht habe. Aber trotzdem, glaube ich, haben wir in den vergangenen zehn Jahren weit mehr richtig gemacht als falsch.“
Homburger bekam von ihrem Heimatverband Baden-Württemberg einen herben Denkzettel verpasst. Sie wurde in Stuttgart erst im zweiten Wahlgang als Landeschefin wiedergewählt. Am Ende gewann sie gegen den Europaabgeordneten Michael Theurer knapp mit 199 zu 192 Stimmen. Die FDP war bei der Landtagswahl im Südwesten Ende März auf 5,3 Prozent abgestürzt und aus der Regierung geflogen.
Brüderle wurde von seinem rheinland-pfälzischen Landesverband nach 28 Jahren an der Spitze zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Zu seinem Nachfolger als Landeschef wurde in Mainz der Finanzexperte Volker Wissing gewählt.
Der nordrhein-westfälische Landeschef Daniel Bahr will in Rostock als Parteivize kandidieren. Aus FDP-Kreisen heißt es, der Rösler-Vertraute werde notfalls gegen Brüderle antreten. „Eine Kampfabstimmung ist im Zweifel in einer Partei des Wettbewerbs nichts Schlimmes“, sagte Bahr der „Rheinischen Post“.