Schäuble und die „Schwarze Null“

Der Regierung könnte ein Haushalt ohne neue Schulden gelingen. Das weckt Begehrlichkeiten.

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Berlin. Üblicherweise ist die Regierungsbank beim Auftakt einer Haushaltsdebatte eher spärlich besetzt. Das war am Dienstag anders. Als Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ans Rednerpult kam, um den Etat für 2015 zu erläutern, saß die komplette Kabinettsriege einschließlich der Kanzlerin brav auf ihren Plätzen. Schließlich ging es um einen „historischen Wendepunkt“ in der deutschen Fiskalpolitik, wie ein Unionsabgeordneter frohlockte. Erstmals seit 1969 will der Bund im kommenden Jahr keine neuen Schulden mehr machen.

An der „Schwarzen Null“ hatten sich Schäubles Amtsvorgänger immer wieder versucht. Dem 71-jährigen Badener könnte sie nun tatsächlich gelingen. Schäuble selbst vermied jedoch allzu lautstarke Euphorie. Stattdessen redete er über Probleme. „Das wirtschaftliche Umfeld hat sich etwas eingetrübt“, so der Kassenwart. Ukraine, Irak, Libyen — Krisenherde, wohin man schaut. Dazu noch die ökonomische Schwäche vieler Euro-Staaten.

Um so mehr müsse Deutschland jetzt „konsequent Kurs halten“ und ausgeglichene Haushalte als „Normalität“ betrachten. Alles andere führe nur zu einer „neuen Vertrauenskrise“, warnte Schäuble.

Sein unerschütterliches Plädoyer für die „Schwarze Null“ sollte offenbar auch die eigenen Reihen disziplinieren. Denn angesichts sprudelnder Steuereinnahmen hatten einzelne Minister schon zusätzliche Begehrlichkeiten angemeldet. Allen voran die Verteidigungsministerin. Bei der Nato drängt man wegen der weltweiten Krisen auf eine Aufstockung der nationalen Wehretats, natürlich auch des deutschen, was Ursula von der Leyen (CDU) kürzlich zu der Bemerkung veranlasste, bei konkretem Bedarf mit „dem Parlament darüber sprechen“ zu müssen.

Schäubles Botschaft war aber auch eine Absage an Länder wie Italien, die in der deutschen Weigerung, mit schuldenfinanzierten Investitionen die Konjunktur anzukurbeln, den Hauptgrund für die europäische Misere sehen. Der „Einsatz von immer mehr öffentlichen Geldern“ und damit eine „immer höhere Verschuldung“ führten in die Irre, hielt Schäuble dagegen.

Auch er räumte allerdings ein, dass die geplante Aufstockung der vom Bund finanzierten Investitionsmittel um insgesamt fünf Milliarden Euro bis 2017 nicht ausreichen wird, um die vielerorts marode Infrastruktur zu sanieren oder auszubauen. Wirtschaftsforscher beziffern den zusätzlichen Finanzbedarf auf mindestens zehn Milliarden Euro. Und zwar jährlich.

Weil dem jedoch die „Schwarze Null“ im Bundeshaushalt massiv entgegensteht, sinnt Schäuble auf eine Mobilisierung privaten Kapitals, um den Investitionsstau aufzulösen. Erst vor ein paar Tagen hatte die Bundesregierung ein Gremium eingerichtet, das Mittel und Wege dafür ausloten soll.

Gedacht ist beispielsweise an Versicherer und Pensionsfonds, die wegen der niedrigen Zinsen neue Anlagemöglichkeiten suchen und so ihr Geld in Infrastrukturprojekte stecken könnten. Nötig seien private Investitionen auch im Verkehrsbereich, sagte Schäuble. Die umstrittenen Maut-Pläne des zuständigen Ministers, Alexander Dobrindt (CSU), erwähnte er zwar nicht.

Doch betonte Schäuble, dass er auch an eine „stärkere Finanzierung durch die Nutzer“ denke. Im Klartext: Anstatt letztlich nur Ausländer auf Deutschlands Straßen abzukassieren, wie es Dobrindt will, könnte die Maut am Ende für alle gelten. Allerdings erst nach 2017. Denn die Regierung hat Mehrbelastungen für Inländer bis zum Ende der Wahlperiode kategorisch ausgeschlossen.

In die gleiche zeitliche Kategorie fällt auch die neu aufgeflammte Debatte über das weitere Schicksal des Solidaritätszuschlags, den Schäuble in Aufschläge etwa zur Einkommensteuer umwandeln will. Auch darauf ging der Kassenwart nicht näher ein.

Die Opposition konzentrierte sich in ihrer Kritik ohnehin zuvorderst auf die „Schwarze Null“. Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch zollte Schäuble zwar Respekt für das Vorhaben, fand aber den Preis zu hoch. Die Investitionsquote in Deutschland liege weit unter dem EU-Durchschnitt, klagte Bartsch. Dadurch sei die Bildung genauso unzureichend finanziert, wie die Infrastruktur oder der Ausbau der Energienetze. Die Grünen schlugen in die gleiche Kerbe. Schäubles Haushalt markiere „eine große versteckte Verschuldung“, bemängelte ihr Finanzexperte Sven-Christian Kindler.