Kein Fahrschein - kein Knast mehr „Schwarzfahrer“ werden härter bestraft als „Schwarzparker“ - das soll sich ändern

Berlin. Wer schwarzfährt, kann dafür sogar im Knast landen. Bundesweit, schätzte vor wenigen Monaten das nordrhein-westfälische Justizministerium, sollen bis zu 5000 Menschen als verurteilte „Schwarzfahrer“ im Gefängnis sitzen.

Schwarzfahren ist nicht nur teuer, man kann dafür sogar ins Gefängnis kommen (Symbolbild).

Foto: Jens Wolf

Ist eine solche Strafe angemessen? Nach Informationen unserer Redaktion prüft das Bundesjustizministerium, inwieweit das Fahren ohne gültigen Fahrschein entkriminalisiert werden kann.

Die Debatte darüber ist nicht neu. Schon mehrfach gab es Vorstöße aus den Ländern und im Parlament, die „Beförderungserschleichung“ aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Schwarzfahrer können ins Gefängnis kommen, wenn sie wiederholt ohne Ticket erwischt wurden. Und wenn sie zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, diese aber nicht bezahlen können oder wollen. In solchen Fällen müssen sie eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen.

Aktuell liegt dem Bundestag ein Gesetzentwurf der Linksfraktion vor, mit dem die strafrechtliche Sanktionierung gekippt werden soll. In dem Entwurf heißt es, „Schwarzparker“ würden gegenüber „Schwarzfahrern“ völlig anders behandelt. So sei falsches Parken lediglich eine Ordnungswidrigkeit und nur mit einem Bußgeld von 15 bis 25 Euro bedroht. Wer hingegen in Bussen oder Bahnen das Entgelt nicht entrichtet habe, dem drohe eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe — und zusätzlich kassierten die Verkehrsbetriebe auch noch 60 Euro Bußgeld. In Berlin beispielsweise sei das „erhöhte Beförderungsentgelt“ 35mal so hoch wie der Fahrpreis für eine Kurzstrecke in Höhe von 1,70 Euro.

Laut Linke sind besonders arme Menschen betroffen, die sich ein Ticket nicht leisten können. „Bei der Beförderungserschleichung kommen weder Personen noch Sachen zu schaden. Der Unrechtsgehalt ist gering, ein besonderer gesellschaftlicher Schaden nicht ersichtlich“, schreibt die Fraktion in ihrem Gesetzentwurf. Die Sanktionierung durch das Strafrecht sei daher „nicht verhältnismäßig“.

Kürzlich hatten sich auch mehrere Justizminister der Bundesländer für eine Änderung ausgesprochen, um Polizei, Justiz und damit die Staatskassen zu entlasten. Die Verkehrsbetriebe sollten lieber wirksame Zugangskontrollen einführen, hieß es. Ähnliche Äußerungen gab es vom Richterbund und der Polizeigewerkschaft. Linke und Grüne hatten überdies in der Vergangenheit schon mehrere Initiativen in den Bundestag eingebracht, doch alle Versuche einer Rechtsänderung scheiterten bislang am Widerstand von CDU/CSU und SPD sowie an der Uneinigkeit der Länder. Die Reformpläne seien „eine Kapitulation des Staates vor den Massendelikten“, warnten die Gegner. Die Ehrlichen würden zu Dummen gemacht.

Doch nun kommt neue Bewegung in die Angelegenheit. Denn das Thema ist inzwischen im Bundesjustizministerium angekommen, wie ein Sprecher von Katarina Barley (SPD) gestern auf Nachfrage bestätigte. Die rechtspolitischen Vorschläge unter anderem aus den Ländern „sind uns bekannt“. Derzeit werde geprüft, ob die neue Bundesregierung sie aufgreife. Ministerin Barley muss nun vor allem klären, ob es eine schwarz-rote Mehrheit für das Vorhaben gibt. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu nichts.