SPD-Sondersitzung zu Sarrazin - weiterhin Kritik

Berlin (dpa) - Der Fall Thilo Sarrazin wird trotz des überraschenden Endes des Ausschlussverfahrens gegen ihn die SPD weiter beschäftigen. Der Landesvorstand der Berliner SPD kommt an diesem Dienstag (26.

April) zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen.

Viele Mitglieder hatten ihr Unverständnis über die Kehrtwende der SPD-Führung geäußert, Sarrazin nicht aus der SPD auszuschließen. Auch die Kritik an der Entscheidung wurde schärfer. Die Türkische Gemeinde in Deutschland warf der SPD-Führung ein „Einknicken vor populistischen und rassistischen Sichtweisen“ vor.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Frank-Walter Steinmeier, äußerte sich dagegen erleichtert über das schnelle Ende des Verfahrens. „Ich bin froh, dass der SPD ein jahrelanges Verfahren durch alle Instanzen erspart bleibt“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Samstag). Das Verfahren sei dennoch gerechtfertigt gewesen. Eine Partei habe Grundsätze und Werte. „Wenn die SPD nicht reagiert hätte, hätte mich das tief beunruhigt.“

Nach einer schriftlichen Erklärung von Sarrazin bei einer Sitzung der Parteischiedskommission hatten am Donnerstagabend überraschend die vier Antragsteller - darunter die Bundes- und die Berliner Landespartei - ihre Anträge zum Ausschluss des Ex-Bundesbankers zurückgezogen. Sarrazin ist wegen seiner Integrationsthesen heftig umstritten.

Alle an dem Schiedsverfahren Beteiligten lehnten weiterhin einen Kommentar ab. Die Vorsitzende der Schiedskommission hatte sie über Ostern zum Schweigen verpflichtet. Auch der Berliner SPD-Chef Michael Müller und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) waren zu keiner Stellungnahme bereit.

In Sarrazins Berliner Heimatverband wachsen Empörung und Kritik. Deshalb sollen in der Sondersitzung des Vorstands offene Fragen beantwortet werden. Es sei sicherlich auch eine große Überraschung für all jene, die den Antrag unterstützt oder wie der Landesvorstand beschlossen hätten, heißt es in der der dpa vorliegenden Einladung. Es habe aber Gründe für diese Entscheidung gegeben.

Die Türkische Gemeinde kritisierte, es sei unverständlich, dass die SPD-Führung die Erklärung Sarrazins für ausreichend halte, um ihre Ausschlussanträge zurückzuziehen. „Die tendenziell rassistischen Äußerungen des Herrn Sarrazin sind durch die Rücknahme der Ausschlussanträge legitimiert worden“, erklärte der Geschäftsführende Bundesvorstand der Türkischen Gemeinde am Samstag in Berlin.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe interpretierte das Vorgehen der SPD als taktisch bedingt. „Erst verdammt die SPD-Spitze Herrn Sarrazin öffentlich mit lautem Gabriel-Getöse, nun rudert sie - mit ängstlichem Blick auf die Wahlen in Berlin (am 18. September) - hilflos zurück“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag). „Das zeigt einmal mehr: Die SPD weiß nicht, wohin sie will.“