Interview mit SPD-Vize Ralf Stegner Hat AKK Recht - sind wir ein verkrampftes Volk?

Berlin · Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihren Karnevalsscherz zum dritten Geschlecht verteidigt. Nach Ansicht von SPD-Vize Ralf Stegner sind flache Witze nicht das Problem von AKK.

Ralf Stegner, SPD-Fraktionsvorsitzender, spricht mit uns im Interview. (Archivbild)

Foto: dpa/Carsten Rehder

Die neueste Debatte über einen muslimischen Kanzler sei eine der üblichen Identitätsdebatten in der Union, so Stegner im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Stegner, hat AKK richtig auf die Kritik an ihrem verunglückten Karnevalswitz reagiert?

Stegner: Ganz ehrlich, sie hat ja sogar recht, wenn sie sagt, Deutschland ist gelegentlich ein wenig humorlos. Das Problem mit Frau Kramp-Karrenbauer sind wirklich nicht ihre flachen Witze über Minderheiten oder das mangelnde karnevalistische Talent.

Sondern?

Das Problem sind ihre reaktionären Überzeugungen. Sie redet von vorgestern, weil sie hofft, den rechten Parteiflügel der Union damit besser einbinden zu können. Wenn man hört, was sie auch zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen sagt, dann ist das 50er Jahre und nicht 2019.

Hätten Sie eine Entschuldigung der CDU-Chefin erwartet?

Ich halte das mit der Entschuldigung ehrlich gesagt für Unsinn. Karneval ist Karneval. Aber die karnevalistische Tradition ist, dass man sich mit den Mächtigen anlegt und nicht über Minderheiten spottet. Aber vielleicht lernt das Frau Kramp-Karrenbauer noch.

Sind wir das verkrampfteste Volk, das auf der Welt herumläuft, wie AKK gesagt hat?

Manchmal ist das so. Nehmen Sie nur diese alberne Debatte, ob Kinder sich nun als Indianer verkleiden dürfen oder nicht. Ich habe das Gefühl, dass wir gerne Nicht-Probleme zu Problemen erklären. Damit lenken wir aber von den wahren Schwierigkeiten ab. Die meisten Menschen machen sich nicht Sorgen darüber, wie ihre Kinder sich verkleiden an Karneval, sondern ob die Rente reicht oder wie das mit der Bezahlbarkeit der Miete ist.

Kramp-Karrenbauer hat auch den SPD-Finanzminister angegriffen, der offenbar nur die schwarzen Ministerien bluten lasse. Belastet das die Koalition?

Überhaupt nicht. Die Union fordert Dinge, die nicht im Koalitionsvertrag stehen und die wir auch nicht machen. Zum Beispiel Steuergeschenke für Superreiche oder eine neue Aufrüstungsspirale in Europa. Was aber im Koalitionsvertrag steht, ist die Grundrente. Und die werden wir durchsetzen. Was wir nicht können, ist auch noch die Arbeit der Unionsleute im Kabinett mitzumachen.

Die nächste Debatte in der CDU ist schon da – und zwar die über einen muslimischen Kanzler. Was sagen Sie dazu?

Das ist eine komplett idiotische Diskussion. Entscheidend ist doch nicht, welche Religionszugehörigkeit jemand hat, der die Regierung führt. Sondern, ob er oder sie in der Lage ist, für die Probleme, die die Menschen haben, vernünftige Lösungen zu bieten. Diese ganzen Identitätsdebatten werden nur in der Union geführt und in sonst keiner anderen Partei. Sie haben nichts mit den realen Problemen in Deutschland zu tun.