Transitzentren: SPD - zwischen Abnicken und Ablehnen

Die Einigung der Union stößt in der SPD und in Österreich auf Kritik — am Dienstagabend kommt der Koalitionsausschuss zum Thema zusammen.

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Berlin. Beim Wort „Transitzentren“ klappen bei Sozialdemokraten regelrecht die Messer in der Tasche auf. „Eine Provokation“, sagte Michael Roth unserer Zeitung, immerhin Staatsminister im Auswärtigen Amt. Denn 2015 hatte die SPD solche Zentren strikt abgelehnt. Jetzt wollen CDU und CSU sie erneut einrichten, so der Kompromiss zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer. Auf den Streit der Schwesterparten folgte am Dienstag deshalb der Konflikt mit dem Koalitionspartner — und mit dem Nachbarland Österreich.

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach von „erheblichem Beratungsbedarf". Und so war auch die Stimmung unter den Genossen bei der Fraktionssondersitzung Dienstagfrüh. Am Abend trat der Koalitionsausschuss zusammen. „Nicht abnicken, aber auch nicht ablehnen“ werde man die Vorschläge, so Fraktionsvize Axel Schäfer. Zum einen geht es um die Bezeichnung. Die jetzt geplanten Transitzentren für Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze seien „nicht derselbe Sachverhalt, nicht dieselbe Gruppe" wie auf der Höhe des Flüchtlingszuzugs 2015, sagte Nahles. „Deshalb lehnen wir den Begriff auch ab." Wie die Lager anders heißen könnten, sagte sie nicht.

2015 wollte die Union in solchen Zentren das komplette Asylverfahren abwickeln. Das verhinderte damals SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel, der regelrechte Massenlager befürchtete. Jetzt, so räumte Gabriel am Dienstag ein, gehe es um „völlig andere Größenordnungen“. Nämlich nur um die Flüchtlinge, die schon woanders registriert oder gar schon im Asylverfahren sind. Bei ihnen muss geprüft werden, ob sie zurückgeschickt werden können und ob das Erstregistrierungsland sie auch nimmt. Gerade mal 18.000 Flüchtlinge waren das bisher in diesem Jahr, rund 100 pro Tag. Noch weniger kamen über die drei bayerischen Kontrollpunkte.

Nur wer dort aufgegriffen wird, soll künftig in drei Transitzentren festgehalten werden; die Prüfung soll im Schnellverfahren erfolgen, binnen maximal 19 Tagen. Flüchtlinge, die über die anderen Grenzen oder über die grüne Grenze ins Land gelangen und woanders schon registriert sind, sollen hingegen in den geplanten „Ankerzentren“ untergebracht werden und dort ein beschleunigtes Rückführungsverfahren durchlaufen. Es gibt aber noch einen zweiten Streitpunkt: Die SPD ist strikt gegen geschlossene Lager; schließlich ist ein Asylantrag kein Haftgrund.

Die Union hält dagegen, dass die Betreffenden nicht eingesperrt seien. Sie dürfen vielmehr jederzeit frei zurück nach Österreich. Nur einreisen dürften sie eben nicht. Ob sich die Flüchtlinge außerhalb der Lager bewegen dürfen, wenn die Zentren nicht direkt im Grenzgebiet, sondern ein paar Kilometer im Inland stehen, ist offen. Formal sollen die Zentren ähnlich behandelt werden, wie die Transitzonen auf Flughäfen. Wer dort ist, hat das Land offiziell nicht betreten („Fiktion der Nichteinreise“) und kann also noch keinen richtigen Asylantrag stellen.

Laut dem Unionskompromiss sollen jetzt Verwaltungsabkommen mit den Erstaufnahmeländern abgeschlossen werden, damit sie die Flüchtlinge zurücknehmen. Griechenland, Spanien und andere haben das schon angeboten. Italien als das wichtigste Land bisher aber nicht. In diesem Fall, so Seehofer und Merkel in ihrem Papier, soll die Zurückweisung zunächst nach Österreich erfolgen. Allerdings erst, wenn es eine entsprechende Vereinbarung gibt.

Ohne einen Deal mit Wien also auch keine Transitzentren. In der Donaumetropole war man alarmiert. „Wir wurden zu keinem Zeitpunkt einbezogen“, beklagte sich Außenministerin Karin Kneissl. In einer gemeinsamen Erklärung der rechtskonservativen Regierungskoalition hieß es, man bereite „Schutzmaßnahmen an der Südgrenze“ vor. Also gegenüber Italien. Seehofer kündigte am Dienstag an, kurzfristig nach Wien reisen zu wollen. Rom dürfte das übernächste Ziel sein.