Zuwanderer verlassen Deutschland oft nach kurzer Zeit

Berlin (dpa) - Deutschland gilt bei Arbeitssuchenden aus den Krisenländern der EU als Top-Adresse. Doch viele bleiben nicht lange hier. Dabei hat sich vor allem die Arbeitssituation zuletzt deutlich verbessert.

Deutschland lockt weiter viele Jobsuchende aus den europäischen Krisenländern - viele Zuwanderer bleiben aber nur kurz. So ist in den vergangenen Jahren nur jeder zweite Grieche und Portugiese länger als ein Jahr geblieben. Bei den Spaniern war es sogar nur jeder dritte.

Vielfach gebe es Sprachprobleme oder die Leute brächten nicht die geforderten Qualifikationen mit, sagte OECD-Experte Thomas Liebig am Donnerstag in Berlin. „Das heißt sie kommen, machen vielleicht ein paar Gelegenheitsjobs - haben aber nicht das gefunden, was sie sich eigentlich erhofften“, sagte Liebig bei der Vorstellung des Internationalen Migrationsausblicks der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Den Angaben nach erhöhte sich zwischen 2007 und 2011 die Zahl der Einwanderer aus Griechenland um 73 und aus Spanien um knapp 50 Prozent. Kräftige Zuwächse gab es in demselben Zeitraum zudem bei Portugiesen und Italienern (35 Prozent). Im vergangenen Jahr setzte sich die Entwicklung fort: „Vorläufigen Zahlen für 2012 zufolge stieg die krisenbedingte Wanderung vor allem aus Griechenland und aus Spanien weiter an“, teilte die OECD mit.

In Deutschland war der Anstieg bei der Zuwanderung 2011 - dem aktuellsten Jahr mit vergleichbaren Daten - so stark wie in kaum einem anderen OECD-Land. Knapp 300 000 Menschen kamen, ein Zuwachs von 68 000 im Vergleich zu 2010.

„Es gibt eine Menge Interesse in den Ursprungsländern an Deutschland. Das ist nicht das Problem“, sagte Liebig. Er forderte mehr Investitionen in die Sprachförderung. „Sozusagen die Mutter aller Mangelberufe sind Sprachlehrer.“ Die wichtigste Qualifikation, die Arbeitgeber einer Befragung zufolge verlangten, sei noch vor Hochschulabschüssen das Beherrschen der deutschen Sprache. „Diese Bedeutung der deutschen Sprache ist lange Jahre vernachlässigt worden“, sagte Liebig. Mittlerweile tue sich aber eine ganze Menge.

Die Beschäftigungsquote für Migranten stieg in Deutschland gegen den Trend in der OECD - und zwar von 2008 bis 2012 um fünf Prozentpunkte. Jedoch macht die Studie auch deutlich, dass etwa Männer mit türkischen Wurzeln knapp doppelt so oft mit Arbeitslosigkeit rechnen müssen wie jene ohne Migrationshintergrund. Deutschland ist laut Liebig das einzige OECD-Land, in dem seit 2008 die Arbeitslosenquoten sowohl bei Zuwanderern als auch bei Nichtzuwanderern sanken.

Wie wichtig Integration für die Volkswirtschaft sein kann, machen Schätzungen der Studienautoren deutlich: Demnach könnten die Staatseinnahmen in Deutschland um etwa 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wachsen, wenn Menschen mit deutschen und ausländischen Wurzeln gleichermaßen auf dem Arbeitsmarkt vertreten wären. Allein bei hochqualifizierten Migranten lägen die möglichen Mehreinnahmen bei mehr als 3,5 Milliarden Euro.

Insgesamt wanderten 2011 gut vier Millionen Menschen dauerhaft in die 34 OECD-Staaten ein. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Plus von zwei Prozent, der Zuzug war aber trotzdem geringer als vor der Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise (4,7 Millionen).

Erstmals haben die Experten auch die finanziellen Folgen von Migration untersucht: So zahlen Familien, deren Oberhaupt im Ausland geboren wurde, in den OECD-Staaten im Schnitt weniger Steuern und Sozialabgaben als inländische Familien. Rentenbeiträge und -zahlungen außen vor gelassen, beziehen sie aber auch weniger oft Sozialleistungen. Dieser Trend gelte auch in Deutschland.

„Besonders deutlich ist das beim Arbeitslosengeld und bei Familienzulagen“, hieß es. Wohngeld und Sozialhilfe bezögen Zugewanderte dagegen geringfügig häufiger als in Deutschland Geborene. Den stärksten Unterschied gebe es bei Renten. Dies führen die Autoren darauf zurück, dass hier anteilig mehr Migranten im Rentenalter leben als in den meisten anderen OECD-Ländern.