Europawahl: Tückische Drei-Prozent-Hürde

Union, FDP, SPD und Grüne wollen Sperrklausel bei der Europawahl. Das Vorhaben ist aber rechtlich umstritten.

Berlin. Schon bei der nächsten Europawahl im Mai 2014 soll es nach Willen von Union, FDP, SPD und Grünen eine Drei-Prozent-Sperrklausel geben. Das Abstimmungsfinale im Bundestag wird in der Nacht zu Freitag erwartet. Um diese Zeit sind die Kameras längst abgeschaltet und die Besuchertribünen verwaist. Die XXL-Koalition aus Schwarz-Gelb und Rot-Grün hat auch allen Grund dazu, den Vorgang nicht an die große Glocke zu hängen.

Denn das Gesetz bewegt sich auf verfassungsrechtlich dünnem Eis. Am 9. November 2011 hatten die Karlsruher Richter die bis dato geltende Fünf-Prozent-Hürde bei Europawahlen für grundgesetzwidrig erklärt und damit die Bedeutung von Kleinstparteien gestärkt. Begründung: Zwar könne ein Wegfall der Sperrklausel eine „spürbare Zunahme von Parteien mit ein oder zwei Abgeordneten“ bewirken, doch fehle es an „greifbaren Anhaltspunkten“ für eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Europaparlaments. Schließlich hätten die dortigen Abgeordneten deutlich weniger Rechte als ihre Kollegen im Bundestag. Insofern sei es dort unzulässig, in die Chancengleichheit kleiner Parteien einzugreifen.

Der Richterspruch enthält allerdings auch einen Passus, wonach sich bei einer Änderung der Verhältnisse auch die verfassungsrechtliche Beurteilung ändern könnte. Und genau darauf baut das neue Gesetz auf. Es verweist nämlich auf eine Entschließung des Europa-Parlaments vom 22. November 2012, nach der die Mitgliedsstaaten eine „angemessene Mindestschwelle“ bei der Europawahl einführen sollen. Aus diesem Appell leiten die Initiatoren des Gesetzes die neue Drei-Prozent-Hürde ab.

Ob die Argumentation ausreicht, um Karlsruhe zu besänftigen, wird allerdings auch in den eigenen Reihen bezweifelt. „Warum sollten die Richter eine Fünf-Prozent-Hürde ablehnen, aber eine Drei-Prozent-Hürde befürworten?“, stöhnt ein Sozialdemokrat. An den Verhältnissen im Europaparlament habe sich ja nicht wirklich etwas geändert. Nach Informationen unserer Zeitung sind solche Bedenken auch der SPD-Fraktionsführung vorgetragen worden. Doch offenbar galt dort die Devise: Augen zu und durch.

Tatsächlich ist das Vorgehen von Union, FDP, SPD und Grünen nicht uneigennützig. Ohne jede Sperrklausel hätten bei der Europawahl 2009 immerhin sieben Kleinstparteien insgesamt acht Mandate geholt — Sitze, die den etablierten deutschen Parteien heute fehlen würden. Kein Wunder, dass einige der Zwergparteien bereits angekündigt haben, gegen die neue Sperrklausel vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu klagen.