Kirche: Im Namen der Opfer

Der von der Regierung eingesetzte Runde Tisch soll die Missbrauchsfälle aufarbeiten. Am Freitag tagte er erstmalig.

Berlin. Auf die Frage, was er vom Runden Tisch gegen sexuellen Missbrauch erwartet, hat Norbert Denef eine deutliche Antwort: "Gar nichts." Vom zehnten Lebensjahr an wurde Denef von einem Pfarrer sexuell missbraucht. Als Denef nach 35 Jahren sein Schweigen brach, bot ihm die katholische Kirche rund 25000 Euro, unter der Voraussetzung, dass er seinen Fall nicht öffentlich macht.

Denef erwartet von der katholischen Kirche schon lange nichts Gutes mehr. Der Runde Tisch, der am Freitag seine Arbeit aufnahm und an dem auch die Kirche sitzt, hat in seinen Augen eine Alibifunktion: "Da wird wochenlang geredet, und nichts kommt dabei raus."

Rund 60 Vertreter aus Politik, Kirche und Verbänden sind an dem Runden Tisch beteiligt. Sie wollen über Hilfen für die Opfer beraten und Konzepte zur Vorbeugung diskutieren. Die Bundesregierung setzte das Gremium ein, nachdem immer mehr Fälle sexuellen Missbrauchs in kirchlichen und anderen Einrichtungen ans Tageslicht gekommen waren.

Opfer können sich auch an die unabhängige Missbrauchsbeauftragte Christine Bergmann (SPD) wenden. Sie will wissen, was die Betroffenen in ihrer Situation gebraucht hätten. Die Vorschläge sollen in den Runden Tisch einfließen. Das Gremium wird von den drei Ministerinnen Kristina Schröder (CDU, Familie), Annette Schavan (CDU, Bildung) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP, Justiz) geleitet. Neben dem Thema Vorbeugung geht es auch um die juristischen Konsequenzen und um das schwierige Thema Entschädigung. "Viele Straftaten, über die wir reden, sind längst verjährt. Aber Verantwortung verjährt nicht", sagt Ministerin Schröder.

Die Täter können oft nicht mehr belangt werden - viele von ihnen sind bereits gestorben. Im Gespräch sind eine Verlängerung der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verjährungsfristen. Das aber hilft den Opfern der Vergangenheit wenig.

Die Opfer sollen dennoch eine Anerkennung für ihr Leid bekommen. Aus der Kirche hieß es bislang, eine finanzielle "Wiedergutmachung" oder "Entschädigung" könne es nicht geben - das sei schon vom Begriff her nicht möglich. Die Kirche denkt aber über einen "Opferfonds" nach.

Zu Beginn der Debatte regte die FDP-Politikerin Leutheusser- Schnarrenberger eine unabhängige Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der Kirche an. Dies war aber mit der Kirche und dem Koalitionspartner nicht zu machen.

Die fehlende unabhängige Kommission ist nun ein Kritikpunkt - auch der Grünen. Deren Chefin Claudia Roth: "Wir brauchen eine unabhängige Untersuchungskommission, die die Missbrauchsfälle umfassend dokumentiert und nach ihrer strafrechtlichen Relevanz überprüft." Das könne nicht Sache von Runden Tischen sein, "bei denen für Opfer und Täter das Prinzip der gleichen Augenhöhe gilt".