Kommunalwahlen 2,5 %-Sperrklausel: SPD, CDU, Grüne - Weniger Demokratie wagen

Eine Zweidrittel-Mehrheit des Landtags will die Verfassung ändern, um eine Sperrklausel von 2,5 % bei Kommunalwahlen einzuführen.

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Düsseldorf. Für den SPD-Abgeordneten Michael Hübner stand das Ergebnis schon vor der Sitzung fest: „Jetzt in der 119.(!) Sitzung des Kommunalausschusses zum Thema 2,5 % #Sperrklausel. Große Zustimmung! #machen_Wir“, twitterte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion. Mit der Zweidrittel-Mehrheit ihrer Stimmen wollen SPD, CDU und Grüne die NRW-Landesverfassung ändern, um bei künftigen Kommunalwahlen wieder eine Sperrklausel von 2,5 Prozent einzuführen.

Folgt der Landtag dem Ausschuss (woran kein Zweifel besteht), hätten etliche kommunale Klein-Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerber künftig keine Chance mehr auf einen Sitz im Stadtrat. Genau das ist das Ziel der rot-schwarz-grünen Landtagsmehrheit. Die Piraten haben bereits angekündigt, gegen diese Verfassungsänderung zu klagen.

Die Argumentation für die neuerliche Sperrklausel lautet: Die Handlungsfähigkeit der kommunalen Parlamente werde „durch die Zersplitterung beeinträchtigt oder zumindest in hohem Maße gefährdet, da die stark gestiegene Zahl von Einzelmandatsträgern und nicht fraktionsfähigen Gruppen ihre Arbeit behindern und teilweise erheblich erschweren“. So könnten sich Tagesordnungen und Sitzungen in einem „unvertretbaren Maß in die Länge ziehen“.

In NRW gab es bis 1999 für Kommunalwahlen eine Fünf-Prozent-Hürde, die das Landesverfassungsgericht kippte. 2008 scheiterte die nächste Sperrklausel der damaligen CDU/FDP-Landesregierung erneut am Verfassungsgericht. Nun wollen die drei großen Parteien einen neuen Anlauf nehmen, um die Konkurrenz in den Städten aus den Räten zu drängen.

Dass das diesmal verfassungsgerecht gelingt, ist keineswegs sicher. Der Verein „Mehr Demokratie“ erklärte in einer Stellungnahme, „eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Kommunalvertretungen in NRW“ sei derzeit nicht belegt. Diese Gefahr sei jedoch Voraussetzung, um einen in die Wahlgleichheit in Form einer Sperrklausel zu rechtfertigen. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Stellungnahme der Universität Passau.

Aus Sicht eines wissenschaftlichen Gutachtens der Ruhr-Uni Bochum im Auftrag der SPD-Landtagsfraktion ist die Einführung „von 3% bei Rats- und Kreistagswahlen“ dagegen zwingend erforderlich“. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Rat der Stadt Münster, Stefan Weber, ließ in einer Stellungnahme eher unfreiwillig das Selbstverständnis durchblicken, aus dem die drei großen Parteien weniger Demokratie wagen wollen: „Parteien, die kaum Mitglieder aufweisen können, können bereits Einzelvertreter in den Rat entsenden.“

Weil die Parteien Ratsmitglieder „entsenden“ wollen, beharren sie seit Jahren auf einem Wahlverfahren, bei dem die Parteien Listen aufstellen, die darüber entscheiden, wer ein Mandat bekommt und wer nicht. In fast allen Bundesländern — außer in NRW und dem Saarland — ist das Listen-System längst abgeschafft. Dort haben die Wähler in einem etwas komplizierten Verfahren („Kumulieren und Panaschieren“) mehrere Stimmen und können für die Kandidaten stimmen, die nicht den Parteien, sondern ihnen am besten gefallen.

Die Einführung des Kumulierens und Panaschierens empfiehlt ein Gutachten der RWTH Aachen ebenso wie die Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker NRW. Es hätte nach Experten-Meinung den von SPD, CDU und Grünen gewünschten Nebeneffekt, dass tatsächliche Einzelbewerber es deutlich schwerer hätten. Kritiker wie der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, machen das komplizierte Verfahren dagegen für sinkende Wahlbeteiligungen verantwortlich.