Analyse: Der blinde Fleck der Lebensmittelkontrolle
Die Namen der Überprüften müssen genannt werden. Nur so wäre der öffentliche Druck stark genug.
Düsseldorf. Die Vorstellung ist ekelhaft, die kaum fassbare Dimension erschreckend: Knapp 200 Tonnen verschimmelte Schweineköpfe soll die BFZ Brägeler Fleischzerlegung GmbH in Lohne innerhalb eines Jahres zu Wurst verarbeitet haben. Das berichtet das ARD-Magazin "Report Mainz", die Oldenburger Staatsanwaltschaft ermittelt.
Selbst wenn sich der Verdacht bestätigen sollte, würde sich die Überraschung in Grenzen halten. Der Verbraucher ist Kummer gewohnt. Mehr als 15000 Tonnen Gammelfleisch sind in den vergangenen drei Jahren in Deutschland entdeckt worden. Die Dunkelziffer ist wohl weit höher. Die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungswirtschaft schätzt, dass im Moment die zehnfache Menge verdorbenes Fleisch in Kühlhäusern lagert.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) liefert ähnlich alarmierende Zahlen. Fast jeder vierte überprüfte Betrieb, der Lebensmittel herstellt, bearbeitet oder verkauft, ist 2006 bei Lebensmittelkontrollen aufgefallen. 15,2Prozent aller Proben wurden beanstandet. Bei Fleisch waren es sogar 21 Prozent.
Mindestens so alt wie gammeliges Fleisch ist der Ruf nach mehr Kontrollen und härteren Strafen. Doch der blinde Fleck der Lebensmittelkontrolle liegt woanders: Trotz der Statistiken sind die Behörden nicht verpflichtet, die Kontrollergebnisse im Einzelnen zu veröffentlichen. Die Verursacher bleiben anonym. Die Lebensmittelqualität ließe sich aber nur anheben, wenn der öffentliche Druck auf Hersteller und Händler groß genug ist. Die Kunden kaufen nicht bei Firmen, von denen sie wissen, dass sie schlechte Ware anbieten.
Auch das Verbraucherinformationsgesetz, das im Mai in Kraft treten und die Rechte der Privatkunden stärken soll, macht wenig Hoffnung. Behörden soll es zum Beispiel erleichtert werden, über Produkte Auskunft zu geben, bei denen ein überschrittener Grenzwert festgestellt worden ist. Doch sie "kann den Informationszugang durch Auskunftserteilung eröffnen", heißt es im Gesetz. Von einer Verpflichtung ist keine Rede - es sei denn, es besteht akute Vergiftungsgefahr.
Transparenz Wie ein staatliches Kontrollsystem effektiver werden kann, hat das Nachbarland Dänemark vorgemacht. Transparenz heißt der Schlüssel. In den 46000 mit Lebensmitteln handelnden Geschäften, Restaurants und Imbissen geben seit sechs Jahren auf den ersten Blick sichtbare Smileys Auskunft über das Ergebnis der jüngsten Lebensmittelkontrolle. Die Gesichtsausdrücke reichen von breites Lächeln bis trauriger Blick. Bis heute ist die Zahl freudestrahlender Smileys von 70 auf 80Prozent gestiegen.
Veröffentlichung Die Verbraucher können die Bewertungen des jeweiligen Geschäfts auch im Internet auf der Seite der Lebensmittelbehörde einsehen. Dazu zählt auch der aktuelle Prüfbericht. Zuständig ist die dänische Veterinär- und Lebensmittelbehörde.