Anhörung zu Portigon-Verkaufsplänen: Angst vor "kulturellem Dammbruch&"
Experten fürchten beim Verkauf der Sammlung Präzedenzfall.
Düsseldorf. Es heiße längst nicht mehr Nordrhein-Westfalen, sondern Nordrhein-Westspiel, ätzte der Wuppertaler Kunstexperte Bazon Brock gewohnt wortgewaltig. Gemeinsam mit fünf weiteren hochrangigen Vertretern der NRW-Kulturszene war Brock am Dienstag zu einer Expertenanhörung in den Kulturausschuss des Landtags eingeladen worden.
Dabei ging es nicht nur um den hochkritisierten Verkauf von zwei Warhol-Bildern durch die nordrhein-westfälische Westspiel GmbH. Es ging vor allem erneut um die Frage, unter welchen Bedingungen der Verkauf von Werken der Portigon-Sammlung vertretbar ist. Die AG gehört dem Land NRW und muss die 2012 nach Milliardenverlusten zerschlagene WestLB abwickeln — inklusive ihrer auf 28 Millionen Euro geschätzten Kunstsammlung.
Aus Sicht der Experten stehen Kunstsammlungen unter Beteiligung der öffentlichen Hand durch genau diese Debatte vor einer Zäsur. „Die Künstler gingen bislang davon aus, dass ihre Bilder vor dem Zugriff des Marktes geschützt sind, wenn sie vom Land gekauft werden“, sagt etwa Friederike van Duiven vom Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler aus Köln. Barbara Welzel vom Verband Deutscher Kunsthistoriker sprach von einem drohenden „kulturellen Dammbruch“.
Andrea Knobloch vom Deutschen Künstlerbund sprach von einem enormen Vertrauensbruch, der die Zusammenarbeit von Künstlern mit dem Land, aber auch mit Kommunen verändert. „Wenn Kommunen inzwischen ihre Werke als Aktiva in Bilanzen einfügen, was passiert dann, wenn diese Kommunen in finanzielle Schwierigkeiten geraten?“
Bei der Portigon-Sammlung sei zudem unklar, wie viele Werke überhaupt noch in deren Besitz sind. „Die Bestände müssen offengelegt werden“, forderte Knobloch. Nach jüngsten Berichten der „Welt“ besteht die einst 6000 Kunstwerke umfassende Sammlung inzwischen nur noch aus 400 Werken.
Dem Vorschlag von CDU und Grünen, wonach die Landesregierung die Sammlung zurückkaufen solle, um sie für die Öffentlichkeit zu bewahren, stimmen die Experten zu — allerdings, wie Bazon Brock sagt, unter der Maßgabe, „dass dies eine Ausnahmeregelung darstellt“. Oder wie es Andrea Knobloch ausdrückte: „Es würde bedeuten, dass das Land Kunst kauft, die ihm längst gehört.“
Gerd Blum von der Kunstakademie Münster mahnt, dass allein die Debatte um den Kunstverkauf einen Image-Schaden für das Land bedeutet. NRW sei bislang weltweit als Kunststandort anerkannt gewesen, davon gehe auch Wirtschaftskraft aus.