Bildung: „Ganzer Abi-Jahrgang gebrandmarkt“

Die Landesschülervertretung bezeichnet das diesjährige Zentralabitur als „Supergau“ für die NRW-Landesregierung.

Düsseldorf. Es sind Protokolle der Fassungslosigkeit: "Bei uns müssen alle in die Nachprüfung", schreibt eine Schülerin der Willy-Brandt-Gesamtschule Bergkamen. "Ich war mit einer glatten Zwei vorbenotet, habe eine Fünf geschrieben und gehöre damit noch zu den Besten. Knapp die Hälfte hat nullPunkte."

Hunderte Hilferufe erreichten in den vergangenen Tagen das Schüler-Internetforum "spickmich.de". Offenbar müssen in einigen Schulen ganze Mathe-Kurse zur Abweichungsprüfung antreten, weil die Abi-Noten bei allen Prüflingen deutlich schlechter waren als die Vornoten.

Nach einer Befragung von 20000 Abiturienten im Internet registrierte "spickmich"-Chefredakteur Bernd Dicks eine "dramatisch hohe Anzahl an Abweichungsprüfungen". Besonders in Mathe, aber auch in anderen Fächern seien verschiedene Aufgaben zu schwierig, zu umfangreich und zu fehlerhaft gewesen.

Horst Wenzel, Vorsitzender der Landesschülervertretung, spricht von einem "Supergau" für die Landesregierung. "Oberstufenschüler stehen über Jahre unter extremem Druck, für den Numerus Clausus in ihren Studienfächern auf einen gewissen Notendurchschnitt zu kommen", sagt der Abiturient.

"Dann werden durch eine einzige Prüfung Chancen verbaut, und das Ministerium tut so, als sei alles bestens gelaufen." Wenzel attackiert das Zentralabitur grundsätzlich: "Ein ganzer Jahrgang darf nicht durch ein bildungspolitisches Experiment gebrandmarkt werden."

Schulministerin Barbara Sommer (CDU) hingegen kann die Aufregung nicht verstehen. "Die bisherigen Rückmeldungen legen nahe, dass sich die Zahl der Abweichprüfungen im üblichen Rahmen bewegt", sagt Sommer. Die von "spickmich" konstatierten Quoten von teilweise 80 oder sogar 100 Prozent bezeichnet sie als "Spekulation".

Sommer: "Dass zehn Prozent der Schüler im Abitur eine Abweichungsprüfung absolvieren müssen, ist nichts Ungewöhnliches und war auch zu Zeiten des dezentralen Abiturs normal."

Ganz anders sieht das die Opposition. "Die Schulministerin muss ihre Verharmlosungsstrategie aufgeben", sagt SPD-Fraktionsvize Ute Schäfer. Sie fordert von Sommer, dem Landtag eine Statistik über die Zahl der Nachprüfungen vorzulegen. "Vor allem muss Frau Sommer die Frage beantworten, wie sie den betroffenen Schülern helfen will."