Der Hausarzt als Lotse – wie viel darf das kosten?
Mediziner und Kassen streiten um das Honorar für ein Versorgungsmodell, das ab Juli angeboten werden muss.
Düsseldorf. Der Streit ums Geld zwischen Ärzten und gesetzlichen Krankenkassen ist nicht neu, und er ist facettenreich. In Düsseldorf gingen am Mittwoch rund 1000 Hausärzte aus Nordrhein-Westfalen auf die Straße, um den Druck auf die Kassen zu erhöhen.
Beide Seiten verhandeln nämlich derzeit über einen Vertrag für einen sogenannten Hausarzttarif - ein Modell, um die Behandlung der Patienten zu verbessern und zugleich Kosten im System zu sparen. Der Streitpunkt: Wie viel ist den Kassen das wert? Die Mediziner jedenfalls fordern eine deutliche Erhöhung.
Das Modell sieht vor, dass ein Versicherter mindestens ein Jahr lang immer zuerst zu seinem Hausarzt geht. Dieser funktioniert als eine Art Lotse und kann den Patienten an Fachärzte überweisen, wenn er es für notwendig hält. Auf diese Weise sollen beispielsweise Mehrfachuntersuchungen vermieden werden.
Der Patient profitiert im Gegenzug von einer besseren Qualität der Versorgung und mehr Service. Bisher erließen einige Kassen ihren Versicherten auch die Praxisgebühr, um einen zusätzlichen Anreiz zu schaffen.
Die Inanspruchnahme eines Hausarztarifes bleibt für die Patienten freiwillig. Die Kassen dagegen müssen nach dem Willen des Bundesgesetzgebers spätestens zum 1. Juli dieses Jahres bundesweit solche Modelle anbieten. Mit den beiden Hausärzteverbänden in NRW wird seit vergangener Woche über die Details verhandelt.
Nach Angaben von Dirk Mecking, Chef des Hausärzteverbandes Nordrhein, fordern die Allgemeinmediziner für die Teilnahme am Modell 85Euro pro Patient und Quartal und orientieren sich damit an Verträgen, die bereits in Bayern und Baden-Württemberg abgeschlossen wurden. Das wäre eine Erhöhung um rund 50 Euro gegenüber der Regelvergütung pro Patient und Quartal.
Die Hausärzte argumentieren, dass sie eine wichtige Funktion im Gesundheitswesen übernehmen: Sie stellten eine wohnortnahe Versorgung sicher. In ihren Praxen würden bis zu 85Prozent der medizinischen Versorgung eines Patienten geleistet.
Zugleich verweisen sie auf eine angespannte finanzielle Lage: Die meisten Kollegen hingen am "Hungerhaken", betonte Norbert Hartmann, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe. Wegen der schlechten Bedingungen sei es immer schwieriger, junge Mediziner für die Übernahme einer Hausarztpraxis zu begeistern - dabei fehlten in zehn bis 15 Jahren rund 15 000 Mediziner bundesweit, um die Versorgung auf bisherigem Niveau zu halten.
Mehrere Kassen, darunter die AOK sowie der Verband der Ersatzkassen, nannten die Forderungen dagegen "unvertretbar und nicht bezahlbar". Sie würden Zusatzkosten von 800 Millionen Euro pro Jahr verursachen.
Auch ist bei den Kassen der Effekt des Modells umstritten. Einige hatten zum Ende des vergangenen Jahres ihre bisherigen Tarife gekündigt, weil sie weder zu deutlichen Kosteneinsparungen geführt, noch die medizinische Versorgung verbessert hätten.