Der schwierige Weg zu einer Schule für alle

International hat sich die Dreigliedrigkeit überholt. Doch die Debatte ist belastet.

Düsseldorf. International steht das dreigliedrige Schulsystem längst im Abseits. Pisa hat gezeigt, dass in Deutschland zu wenig junge Menschen studieren. Dass selbst die besten Schüler im Vergleich mit anderen Staaten mäßig abschneiden. Dass hiesige Schulen viele schwache Schüler hervorbringen und die soziale Selektion verschärfen. Ein solches System gehört abgeschafft, fordern Experten. Doch die Angst, die ideologische Schlammschlacht der 80er Jahre um die Gesamtschule erneut zu entfachen, ist groß. Auf einer DGB-Veranstaltung in Düsseldorf gingen Wissenschaftler das Thema deshalb aus zwei Blickwinkeln an - um zum gleichen Schluss zu kommen.

Der naturalistische Ansatz

Gero Lenhardt vom Institut für Hochschulforschung an der Uni Halle sieht das Grundproblem in einer veralteten Vorstellung von Begabung. Diese gelte in Deutschland noch immer als eine hinzunehmende Natureigenschaft des Menschen, womit der Einzelne quasi zum Gymnasiasten, Real- oder Hauptschüler geboren sei. In anderen Demokratien dominiert eine neue Auffassung. "Danach sind alle mit der Freiheit begabt, etwas aus sich zu machen", betont Lenhardt. Sinn der Gemeinschaftsschule sei es dort, Leistungsversagen mit neuer Anstrengung zu beantworten und mit der Zuversicht, dass der Lernerfolg nicht ausbleiben kann. Denn in der Intelligenzforschung gilt: Lernen kann man lernen.

Der ökonomische Ansatz

Nach Ansicht von Ludger Wößmann kommt es Deutschland teuer zu stehen, dass Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern geringere Bildungschancen haben. "Hohe Arbeitslosigkeit der Geringsqualifizierten und unbefriedigendes Wachstum sind die Folge", bilanziert der Professor für Bildungsökonomik und Bereichsleiter am Ifo-Institut in München. Seine Lösung: eine spätere schulische Selektion. Dabei geht es Wößmann nicht um das Ende des Gymnasiums. "In der ideologielastigen Debatte scheint es schwer zu vermitteln, dass man in einer späteren Aufgliederung der Schüler nicht gleich den Untergang des Abendlandes sehen muss - oder den Einzug der sozialistischen Einheitsschule." Brandenburg und Berlin teilten ihre Schüler erst nach der sechsten statt nach der vierten Klasse auf und erzielten eine geringere Abhängigkeit der Schülerleistungen vom familiären Hintergrund. Auf Kosten des Leistungsniveaus gehe dies nicht.

Höhere Chancengleichheit lässt sich nach Einschätzung des Ökonom auch durch einer Verringerung der Schultypen erreichen. Das gelte vor allem für Bundesländer, in denen die Hauptschule nur noch "Restschule" ist.