Gesundheitskarte: Gegen den „gläsernen Patienten“
Die deutsche Ärzteschaft lehnt die elektronische Erfassung ab. Sie befürchtet Missbrauch und extrem hohe Kosten.
Düsseldorf. Die von der Bundesregierung im Rahmen der umstrittenen Gesundheitsreform geplante Einführung einer elektronischen "Gesundheitskarte" stößt auf den erbitterten Widerstand der Ärzteschaft und steht damit möglicherweise vor dem Aus. In einer Entschließung des Deutschen Ärztetages in Münster lehnten die 250 Delegierten die Karte in ihrer jetzigen Form strikt ab. Das Arzt-Patienten-Verhältnis dürfe nicht durch die Speicherung sensibler Daten auf zentralen Rechnern beschädigt werden, heißt es in der Entschließung. Zudem dürften die Kosten der "milliardenschweren Entwicklung" nicht auf die Ärzte und ihre Patienten abgewälzt werden. Nur bei "deutlichen Verbesserungen" werde die Ärzteschaft der elektronischen Karte zustimmen.
Auf der elektronischen Gesundheitskarte, die in einigen Regionen schon im Test läuft, sollen - anders als auf der bisher bekannten Krankenversicherungskarte - auch sämtliche Vorerkrankungen und medizinische Verordnungen erfasst werden. Befürworter der umfassenden elektronischen Erfassung erklärten, die Vertraulichkeit der Arzt-Patient-Beziehung bleibe dabei gesichert.
Auch die Krankenkassen, die zu den stärksten Verfechtern des gläsernen Patienten gehören, werfen den Ärzten vor, die "Angst vor der Datensicherheit nur zu schüren", um ihre "eigenen finanziellen Interessen durchzusetzen". Gemeint ist damit offenbar, dass die Ärzte sich wehren, die zwischen zwei und drei Milliarden Euro teuren Einführungskosten zu übernehmen.
Ärzte und Heilpraktiker laufen Sturm gegen die elektronische Gesundheitskarte. Nun wird ihnen Profit-Interesse vorgeworfen - immerhin sollen sie die Kosten für die notwendigen elektronischen Geräte mittragen.
Doch dieser Vorwurf lenkt nur von den tatsächlichen, schwer wiegenden Bedenken ab. Denn bereits der Begriff "Gesundheitskarte" ist irreführend: Die medizinischen Informationen werden nicht auf dieser Karte gespeichert, sondern auf Großcomputern, zu denen die Karte letztlich nur den Schlüssel darstellt. Damit aber verlassen die höchst privaten Krankendaten die durch das Arztgeheimnis geschützten Praxisräume des Arztes und wandern in seelenlose Speicher - auf die dann mehr als 100 000 Arztpraxen, 60 000 Zahnärzte und Physiotherapeuten, tausende Apotheker, 2000 Krankenhäuser und 300 Krankenkassen potenziellen Zugriff haben. Der "gläserne Patient" lässt grüßen . . .