„Big Brother“ in Meschede Diskussion um geplante Video-Überwachung

Um Graffiti-Sprayer zu erwischen, will die Stadt Meschede Kameras aufhängen. Der Datenschutz lässt das eigentlich nicht zu. Aber die Stadt will es drauf ankommen lassen, dass Gerichte entscheiden.

Die sauerländische Stadt Meschede könnte Vorreiter werden: Sie will Teile der Innenstadt mit Kameras überwachen lassen, um Straftätern wie Graffiti-Sprayern auf die Spur zu kommen.

Foto: Jörg Taron

Meschede (dpa). Die sauerländische Stadt Meschede könnte Vorreiter werden: Sie will Teile der Innenstadt mit Kameras überwachen lassen, um Straftätern wie Graffiti-Sprayern auf die Spur zu kommen. Bislang hängen in NRW nur in Mönchengladbach und Düsseldorf Kameras, die die Polizei an Kriminalitätsschwerpunkten installieren ließ. Dass eine Kommune ganz einfach den öffentlichen Raum überwachen will, ist ein Novum.

Das Thema wurde schon heiß diskutiert, nun will der Stadtrat am Donnerstag über einen Testlauf mit Leih-Kameras an einer Unterführung am Rande der Innenstadt entscheiden und damit nach Einschätzung von Datenschützern für einen Rechtsbruch votieren. Denn die Überwachung des öffentlichen Raums sei vom Landesdatenschutzgesetz nicht gedeckt, weil die Stadt kein Hausrecht hat. Das Thema hat viele Facetten.

- Der Polizist: „Aus polizeilicher Sicht wäre so etwas sicherlich hilfreich für die Aufklärung von Straftaten“, sagt der Sprecher der Mescheder Kreispolizei, Ludger Rath. Ob Kameras auch eine abschreckende Wirkung haben, vermag er nicht zu sagen. Aber eine Videoaufnahme könne helfen, Täter zu ermitteln.

- Der Bürgermeister: Das Mescheder Stadtoberhaupt Uli Hess (CDU) weiß, dass seine Idee nicht nur auf Gegenliebe stößt. „Ich will ein Stückchen mit dem Thema provozieren, dass auch politisch darüber nachgedacht wird, dass bestimmte Gesetze fortzuschreiben sind.“ Er hofft, dass das Thema so auch im Düsseldorfer Landtag auf die Tagesordnung kommt. In der Summe erfahre er mehr Zuspruch als Kritik. Auch von anderen Kommunen, die mit Spannung auf Meschede blicken.

- Der Nachbar: Direkt neben der für den Testlauf vorgesehenen Unterführung betreibt Friseurmeister Yasin Koskik seinen Salon. Er findet die Überwachung gut. „Ich habe nichts zu verbergen. Und heute kann man jeden mit seinem Handy doch sowieso überwachen. Diese künstliche Aufregung kann ich nicht verstehen.“ Beim Waschen, Schneiden und Legen sprechen natürlich auch seine Kunden darüber. „Da teilen sich die Meinungen, aber die meisten sehen das schon so wie ich.“

- Der Ordnungsamtschef: Wolfgang Sträter fragt sich, warum er die neuen technischen Möglichkeiten nicht nutzen soll, um Straftaten zu verhindern oder aufzuklären. „Als das Datenschutzgesetz gemacht wurde, gab es solche Systeme doch noch nicht.“ Die zunächst verpixelten (unkenntlich gemachten) Aufnahmen sollen nur genutzt werden, wenn ein Aufklärungsinteresse besteht.

Ansonsten würden sie nach drei Tagen automatisch gelöscht. Sollte die Kommunalpolitik ihm grünes Licht geben, will er das System noch im ersten Halbjahr installieren. Einem Rechtsstreit sieht er gelassen entgegen: Es könne ja auch durchaus sein, dass die Gerichte dann die Gesetzes-Praxis weiterentwickeln.

- Der Datenschützer: Der Landesdatenschutzbeauftragte sieht keine Grundlage für die Mescheder Pläne. „Das Verpixeln und ein automatischer Löschlauf sind zwar gute Ideen, aber nur für den Fall, dass ich überhaupt aufzeichnen darf. Und das ist hier nicht der Fall“, sagt der Sprecher des Datenschutzbeauftragten, Nils Schröder.

Er hält es auch für unwahrscheinlich, dass es durch den Fall Meschede eine gerichtliche Weiterentwicklung der Datenschutzgesetze geben könnte. Seine Behörde will gegen einen Ratsbeschluss zugunsten der Kameras eine „Beanstandung“ aussprechen. Dann müsse die Kommunalaufsicht tätig werden. Außerdem könne es auch sein, dass Bürger gegen die Kameras klagen.