Entlassung aus U-Haft: Die Justiz funktioniert
Personalnot und Überlastung bei Staatsanwälten und Richtern macht Panne wahrscheinlicher.
Düsseldorf. Gottes Mühlen mahlen bekanntlich langsam, aber gerecht. Das ist auch bei den sprichwörtlichen Mühlen der Justiz der Fall - selbst wenn es dabei gelegentlich zu Irritationen kommt. Beispielsweise, wenn Untersuchungshäftlinge freigelassen werden müssen, weil einzelne Staatsanwaltschaften oder Gerichte zu langsam gearbeitet haben.
Solche Freilassungen sind vielleicht zunächst irritierend und widersprechen möglicherweise auch dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl. Sie sind aber letztlich ein Beweis für das Funktionieren unserer Justiz, indem sie sicherstellt, dass im Grundgesetz garantierte Bürgerrechte nicht missachtet werden.
Das Grundgesetz, dem alle anderen Gesetze untergeordnet sind, garantiert im Artikel 2: "Die Freiheit der Person ist unverletzlich." Diese Freiheit darf nur durch ein Gesetz eingeschränkt werden - und dies auch nur vorübergehend.
Dadurch ergibt sich zwingend, dass in unserem Rechtsstaat eine Untersuchungshaft nur dann rechtmäßig ist, wenn das Verfahren besonders beschleunigt wird - auch und vor allem, um Unschuldige zu schützen. Diese besondere Beschleunigung der (Ermittlungs- und Gerichts-) Verfahren ist aber nur dann möglich, wenn die Justiz auch über das dazu erforderliche Personal verfügt. Denn für die Schnelligkeit darf keinesfalls die Gründlichkeit geopfert werden.
"Ein zuverlässiges Rechtssystem kann es nicht zum Nulltarif geben", sagt Richter Reiner Lindemann, Vorsitzender des Bund der Richter und Staatsanwälte in NRW (DRB). Sein Verband mahnt seit langem eine Überlastung der Justiz an: An den Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes werde mit einer "Dauerüberlast von 130 Prozent und mehr" gearbeitet. Die jetzigen Einzelfälle will Lindemann nicht kommentieren.
Doch er sagt: "Wenn die Politik die Staatsanwälte und Richter des Landes weiterhin unter Dauerbelastung arbeiten lässt, muss sie zur Kenntnis nehmen, dass dann folgenschwere Fehler wesentlich wahrscheinlicher werden." Der in NRW seit zehn Jahren betriebene Stellenabbau in der Justiz müsse rückgängig gemacht werden: Schon jetzt fehlten 500 Richter und 200 Staatsanwälte.
Hinzu kommt: Während die Zahl der Richter und Staatsanwälte abgebaut wird, steigt die Zahl der Fälle stetig an: 2006 mussten die rund 1.000 Staatsanwälte etwa 1,1 Millionen Verfahren führen, zehn Jahre zuvor waren es bei fast gleichem Personalbestand knapp 300.000 weniger.